Leitsatz (amtlich)

Die sich erst anbahnende Corona-Pandemie berechtigte eine Künstleragentur nicht zur einseitigen Lossagung vom Vertrag über die Zurverfügungstellung eines bekannten Musikers für ein Rockkonzert, solange es noch keine behördliche Untersagung der Veranstaltung gab.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 19.03.2021; Aktenzeichen 402 HKO 47/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.03.2021, Aktenzeichen 402 HKO 47/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf EUR 73.850,24 festgesetzt.

 

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist, sodass das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege zurückgewiesen wird.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 19.03.2021 der Klage zu Recht vollständig stattgegeben. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten Argumente rechtfertigen eine andere Entscheidung nicht. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 22.07.2021 Bezug genommen. Die darauf erfolgte Stellungnahme der Beklagten vom 16.09.2021 setzt sich sachlich mit den Ausführungen des Senats nicht auseinander, sondern wirft erneut die Frage auf, ob ein Künstler oder ein Veranstaltungsunternehmen in einer solchen Situation zur Meidung von vertraglichem Schadensersatz gezwungen ist, die Veranstaltung durchzuführen und dabei möglicherweise Personen in die Gefahr einer Corona-Ansteckung zu bringen. Diese Frage wird im o.g. Hinweisbeschluss für den konkret vorliegenden Fall erschöpfend behandelt. Ergänzend sei lediglich folgendes noch angemerkt:

Um eine Unmöglichkeit des Bandauftritts oder eine Störung der Geschäftsgrundlage des Vertrages anzunehmen, bedarf es eindeutiger, objektiver Umstände, die dies aus Sicht beider Parteien rechtfertigen. Dies verlangt auch angesichts einer neuartigen Gefährdungssituation die Rechtssicherheit aller Beteiligter. Schon wegen des schutzwürdigen Vertrauens der anderen Vertragspartei, hier der Klägerin, auf den Bestand des Vertrags kann es nicht einer Partei überlassen sein, sich nach subjektivem Empfinden oder auf der Grundlage einer eigenen Risikobewertung beliebig von ihren geltenden Vertragspflichten zu lösen. Solange nicht eine behördliche Untersagung der Veranstaltung vorlag, hatte der Grundsatz "pacta sunt servanda" zu gelten. Etwas anderes kann schließlich auch nicht aus einer berechtigten Furcht des Künstlers B. vor einer Ansteckung folgen, hat dieser doch unstreitig noch am 29.02.2020 und am 01.03.2020 Konzerte in Großbritannien sowie am 12.03.2020 in Paris gegeben; beide Länder waren in diesem Zeitraum bereits deutlich stärker von der beginnenden Corona-Pandemie betroffen als Sachsen-Anhalt.

Schließlich stand eine eigene Haftung der Beklagten oder des Künstlers gegenüber dem Konzertpublikum wegen etwaiger Ansteckungen nie im Raum. Vertragspartnerin der Konzertbesucher war allein die ticketverkaufende Klägerin, die damit auch das Risiko für die Sicherheit der Veranstaltung übernommen hatte. Zuletzt sei angemerkt, dass jeder Konzertbesucher frei war, sein persönliches Risiko abzuschätzen und ggf. der Veranstaltung fernzubleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI14891575

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