Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren: Erteilungsablehnung unter Verstoß des Hamburger Rechtspflegers gegen den Richtervorbehalt; internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte bei Versterben des Erblassers in Spanien

 

Normenkette

RPflG § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Nr. 6, § 19 Abs. 2; EUV 650/2012 Art. 3 Abs. 1 Buchst. g; EUV 650/2012 Art. 4; EUV 650/2012 Art. 84; BGB § 2353; RPflV HA § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 05.09.2016; Aktenzeichen 16 609 VI 693/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des AG Hamburg-Harburg vom 5.9.2016 dahingehend abgeändert, dass das AG Hamburg-Harburg für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1. mit Urkunde des Notars Dr. ... vom 2.5.2016 beantragten Erbscheins nicht zuständig ist.

Die Beteiligte zu 1. hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Geschäftswert für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 100.000,-- festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser, Herr ... ist zwischen dem 20. und 22.9.2015 in Torrevieja, Alicante in Spanien verstorben.

Die Beteiligte zu 1. ist seine Ehefrau, die Beteiligten zu 2. und 3. sind seine aus einer früheren Ehe hervorgegangenen Kinder.

Der Erblasser hat am 13.5.2077 ein privatschriftliches Testament errichtet. Mit weiterem privatschriftlichen Testament vom 16.12.2010 hat er sein früheres Testament widerrufen und unter anderem die Beteiligte zu 1. als alleinige Erbin eingesetzt.

Die Beteiligte zu 1. hat am 19.3.2015 beim AG Hamburg-Harburg, Familiengericht einen Scheidungsantrag gestellt, in dem sie als Adresse des Erblassers G. U. L., Fase 1. - B5 - 1 - D, Torrevieja, Spanien angegeben hat. Weiterhin hat sie vorgetragen, die Ehegatten lebten seit zwei Jahren getrennt; die Trennung sei erfolgt durch Auszug des Erblassers, seitdem wohne der Erblasser in Spanien.

Der Erblasser hat sich mit Schreiben vom 11.4. und 15.8.2015 an das Familiengericht gewandt sowie im Rahmen der von ihm beantragten Verfahrenskostenhilfe eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht jeweils mit seiner Anschrift C. G., Urb. L. L. Fase 1 Bl. 5/1d ... Torrevieja in Spanien.

Die Beteiligte zu 1. hat mit Urkunde des Notars Dr. ... vom 2.5.2016 einen Erbscheinsantrag gestellt, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist.

Die Beteiligten zu 2. und 3. sind dem entgegengetreten mit der Begründung, der letzte Wohnsitz ihres Vaters sei in Spanien gewesen, so dass nach der EuErbVO ausschließlich spanisches Recht zur Anwendung komme.

Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 5.9.2016 durch die Rechtspflegerin den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen, da es örtlich nicht zuständig sei; der Erblasser habe zum Zeitpunkt seines Todes schon mindestens zwei Jahre seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien gehabt.

Gegen diesen ihr am 8.9.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrer am Montag, den 10.10.2016 beim AG eingegangenen Beschwerde. Der Erblasser habe nicht immer in Spanien gelebt. Er sei von Weihnachten 2013 bis Ende Februar 2014, August bis den Halben Monat September 2014 und im Januar und Februar 2015 in Hamburg gewesen.

Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 11.10.2016 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat die Akte des AG Hamburg-Harburg, Familiengericht zum Aktenzeichen 630 F 84/15 beigezogen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die gemäß den §§ 11 Abs. 2 RPflG, 342 Abs. 1 Nr. 6, 58, 59, 61,63, 64 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. hat in der Sache keinen Erfolg, führt aber zu der aus dem Tenor ersichtlichen Feststellung der Unzuständigkeit des AG Hamburg-Harburg für die Erteilung des von ihr beantragten Erbscheins.

Nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG bleibt in Nachlasssachen dem Richter u.a. Vorbehalten die Erteilung von Erbscheinen ( § 2353 BGB ), sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung den für die Geschäfte in § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG bestimmten Richtervorbehalt ganz oder teilweise aufzuheben. Hamburg hat hiervon mit der Verordnung zur Übertragung richterlicher Aufgaben auf den Rechtspfleger vom 8.11.2011, geändert am 13.11.2015, Gebrauch gemacht.

Da im vorliegenden Fall die Beteiligten zu 2. und 3. gegen den von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbschein Einwände erhoben haben, die sich gerade gegen die von dieser behaupteten Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts richten, hatte die Rechtspflegerin gemäß § 1 Abs. 2 der Hamburgischen Verordnung zur Übertragung richterlicher Aufgaben auf den Rechtspfleger das Verfahren dem Richter zur weiteren Bearbeitung vorzulegen.

Die Rechtspflegerin war somit zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht zuständig. Jedoch führt dieser Verstoß der Rechtspflegerin gegen ihre Vorlagepflicht an den Richter nicht z...

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