Leitsatz (amtlich)

1. Verfahrenskostenhilfe kann nur dann bewilligt werden, wenn der formgerechte Antrag bereits vor Abschluss des jeweiligen Rechtszugs beim zuständigen Gericht vorlag (vgl. BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - III ZA 274/13, juris Rn. 7f, NJW 2013, 3793). Aus Gründen des Vertrauensschutzes kommt eine Bewilligung darüber hinaus in Betracht, wenn das Gericht, etwa mit Blick auf eine von den Beteiligten vergleichsweise ins Auge gefasste Erledigung des Verfahrens im Termin, gestattet, fehlende Unterlagen innerhalb einer Frist nachzureichen.

2. Eine Nachreichung der Belege im Beschwerdeverfahren gegen die ablehnende Bewilligungsentscheidung scheidet aus, wenn dem Antragsteller seitens des Gerichts eine Frist zur Nachreichung gesetzt wurde.

 

Normenkette

ZPO § 114 Abs. 1, § 117 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Barmbek (Beschluss vom 20.10.2020; Aktenzeichen 889 F 102/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Barmbek vom 30. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin beantragte unter dem 27. August 2020 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für ein einstweiliges Anordnungsverfahren zur Regelung des Umgangs der gemeinsamen Tochter. In dem Antrag teilte sie mit, dass die Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nachgereicht werde.

In der mündlichen Verhandlung am 28. August 2020 einigten sich die Eltern auf eine Regelung des Umgangs. Der Antragsgegnerin wurde Gelegenheit gegeben, die Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen binnen 2 Wochen nachzureichen.

Unter dem 30. Oktober 2020 lehnte das Amtsgericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ab. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Der Antragsgegnervertreter trägt vor, dass die von der Antragsgegnerin am 8. September 2020 unterzeichnete und in der Folge bei ihm zur Akte gelangte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht an das Gericht weitergeleitet worden sei und reichte die Erklärung mit der Beschwerdebegründung nach. Es könne nicht rekonstruiert werden, aus welchen Gründen die Erklärung nicht weitergereicht worden sei.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 nicht abgeholfen. Eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens komme nicht in Betracht.

II. Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 bis 4, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen.

Die Voraussetzungen für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen nicht vor. § 114 ZPO beschränkt die Verfahrenskostenhilfe auf die "beabsichtigte" Rechtsverfolgung beziehungsweise Rechtsverteidigung. Zweck der Verfahrenskostenhilfe ist, der Partei die Prozessführung zu ermöglichen, nicht aber, ihr nachträglich die Kosten für einen bereits geführten Prozess zu erstatten oder ihrem Rechtsanwalt zu einem Honorar zu verhelfen. Entscheidend dafür, ob noch eine Rechtsverfolgung oder -verteidigung beabsichtigt ist, ist der Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung. Über einen während des Verfahrens gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag kann zwar noch nach Abschluss der Instanz entschieden werden. Verfahrenskostenhilfe kann aber nur dann bewilligt werden, wenn der formgerechte Antrag bereits vor Abschluss des jeweiligen Rechtszugs beim zuständigen Gericht vorlag (vgl. BGH, Beschluss vom 17.10.2013 - III ZA 274/13, juris Rn. 7f, NJW 2013, 3793). Aus Gründen des Vertrauensschutzes kommt eine Bewilligung darüber hinaus in Betracht, wenn das Gericht, etwa mit Blick auf eine von den Beteiligten vergleichsweise ins Auge gefasste Erledigung des Verfahrens im Termin, gestattet, fehlende Unterlagen innerhalb einer Frist nachzureichen. Andernfalls drohten einem Verfahren taktische Verzögerungen. Eine Nachreichung der Belege im Beschwerdeverfahren gegen die ablehnende Bewilligungsentscheidung scheidet dabei aus, wenn dem Antragsteller - wie vorliegend - seitens des Gerichts eine Frist zur Nachreichung gesetzt wurde (vgl. Reichling, NJW 2014, 2368).

Im Weiteren ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob dem Antragsteller im Fall der unverschuldeten Versäumung der Frist trotzdem Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann. Teilweise wird befürwortet, dass entsprec...

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