Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Verteidigung gegen die Klage. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Klagerücknahme. Klageerwiderungsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Beantragt der Beklagte Prozesskostenhilfe für seine Verteidigung gegen die Klage und reicht er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst ein, nachdem die Klage bereits zurückgenommen wurde, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

 

Normenkette

ZPO §§ 117, 574 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 30.04.2013; Aktenzeichen 54 T 16/13)

AG Berlin-Lichtenberg (Beschluss vom 06.03.2013; Aktenzeichen 2 C 426/12)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 54 des LG Berlin vom 30.4.2013 - 54 T 16/13 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte einen Vollstreckungsbescheid über eine Forderung für die Inanspruchnahme von Telekommunikationsleistungen. Nachdem die Beklagte hiergegen Einspruch eingelegt und die Klägerin ihren Anspruch begründet hatte, beantragte die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Klageerwiderungsfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und führte zu ihrer Verteidigung aus, sie habe die abgerechneten Leistungen weder in Auftrag gegeben noch in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 13.2.2013 nahm die Klägerin ihre Klage teilweise zurück. Mit Verfügung vom 14.2.2013 gab das AG der Beklagten unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf, binnen zwei Wochen die ausstehende Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einzureichen. Am 28.2.2013 erklärte die Klägerin die vollständige Klagerücknahme. Noch am selben Tag ersuchte das AG die Beklagte um Mitteilung, ob der Prozesskostenhilfeantrag zurückgenommen werde. Am 5.3.2013 reichte die Beklagte die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ein und bat weiterhin um Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Rz. 2

Mit Beschluss vom 6.3.2013 hat das AG den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Beklagte im Rahmen des § 115 ZPO auf ihren Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO als Vermögenswert, der ihre Kosten abdecke, zu verweisen sei. Dass dieser Anspruch nicht realisierbar sei, sei weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beklagten hat das LG zurückgewiesen und zugleich die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Rz. 3

Die Beklagte möchte den Beschluss des LG mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde anfechten und beantragt hierfür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

Rz. 4

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).

Rz. 5

1. Das LG hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, weil es bislang an einer höchstrichterlichen Entscheidung der Frage fehle, ob der Beklagte nach Klagerücknahme und vor Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vorrangig auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu verweisen sei.

Rz. 6

a) An diese Zulassung ist der erkennende Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Allerdings ist der Zulassungsgrund nicht gegeben, weil die vom LG dargestellte Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich ist. Der erstinstanzliche Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten war bereits deshalb zurückzuweisen, weil die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vor Beendigung des Verfahrens eingereicht wurde.

Rz. 7

b) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nach Abschluss des Verfahrens - etwa (wie hier) durch Klagerücknahme - nur dann in Betracht, wenn zuvor der Prozesskostenhilfeantrag sowie die gem. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingegangen sind, der Prozesskostenhilfeantrag mithin vollständig eingereicht worden ist (s. etwa BGH, Beschl. v. 7.3.2012 - XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964, 1965 Rz. 10, S. 1966 Rz. 21; v. 30.9.1981 - IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446; OLG Hamm, Beschl. v. 22.5.2012 - I-19 W 17/12, BeckRS 2012, 11879). Diese Voraussetzungen waren auch in dem Fall gegeben, welcher dem von der Beklagten herangezogenen Beschluss des BGH vom 18.11.2009 (XII ZB 152/09, NJOZ 2010, 2687, 2688 f Rz. 10 f, 20) zugrunde lag. Im vorliegenden Fall war die (vollumfängliche) Klagerücknahme indes eingegangen, bevor die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten eingereicht wurde.

Rz. 8

c) Mithin lagen die Voraussetzungen für eine (rückwirkende) Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor. Insoweit ist es ohne Belang, dass das AG der Beklagten unter Hinweis auf die in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgesehene Sanktion vor Eingang der Klagerücknahme eine Frist zur Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gesetzt hatte und die Einreichung dieser Erklärung innerhalb der eingeräumten Frist erfolgt war. Mit der Fristsetzung sollte der Beklagten im Stadium des noch anhängigen Prozesses (vor der vollständigen Klagerücknahme) vor Augen geführt werden, dass ihr Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen werden kann, wenn sie die geforderte Erklärung (nebst Belegen) nicht innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist vorlegt. Ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten darauf, dass sie sich unbeschadet vom weiteren Verfahrensgang bis zum Fristablauf Zeit lassen könne, wurde hierdurch nicht begründet. Der anwaltlich vertretenen Beklagten musste von vornherein bekannt sein, dass es für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Beifügung einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedurfte.

Rz. 9

d) Auf die Frage, ob die Beklagte im Hinblick auf ihren (realisierbaren) Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht bedürftig ist, weil sie mit diesem Anspruch über einsetzbares Vermögen zur Kostendeckung verfügt, kommt es nach alledem nicht an.

Rz. 10

2. Liegt der vom LG angenommene Zulassungsgrund demnach - mangels Entscheidungserheblichkeit der dargestellten Rechtsfrage - tatsächlich nicht vor, so ist allein auf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsbeschwerde in der Sache selbst abzustellen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2010 - V ZA 17/09, BeckRS 2010, 08913 Rz. 1 sowie [für die Revision] Beschlüsse v. 24.4.2013 - XII ZR 159/12, BeckRS 2013, 10584 Rz. 9; v. 25.6.2003 - IV ZR 366/02, BeckRS 2003, 05893).

Rz. 11

Die Rechtsbeschwerde hat indessen keine Aussicht auf Erfolg. Der Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten war, wie ausgeführt, zurückzuweisen, weil die Beklagte die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vor der Beendigung des Rechtsstreits eingereicht hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 5703066

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