Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftbedingungen in Rumänien

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der gebotenen Gesamtschau der Haftbedingungen in Rumänien kann eine Auslieferung im Einzelfall zulässig sein.

 

Normenkette

IRG § 73 S. 2; EMRK Art. 3

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.04.2018; Aktenzeichen 2 BvR 424/17)

BVerfG (Beschluss vom 19.12.2017; Aktenzeichen 2 BvR 424/17)

BVerfG (Einstweilige Anordnung vom 18.08.2017; Aktenzeichen 2 BvR 424/17)

 

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zum Zwecke der Verfolgung der in dem Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Medgidia vom 12. August 2016 (Nr. 7 - Az.: 5379/256/2015) bezeichneten Straftaten ist zulässig.

 

Gründe

Die Voraussetzungen für die von der Republik Rumänien ersuchte Auslieferung des derzeit in anderer Sache in Strafhaft befindlichen (Ablauf von 2/3: 24. Juli 2017; Ende: 24. September 2017) Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung sind entsprechend den hier anwendbaren rechtlichen Maßgaben der §§ 29, 32 Satz 1, §§ 78 ff. IRG gegeben.

I.

Es liegt ein formgerechtes Auslieferungsersuchen nach § 83a Abs. 1 IRG vor.

1. Gegen den Verfolgten besteht der in der Beschlussformel benannte, bei den Akten befindliche Europäische Haftbefehl und seit dem 24. August 2016 eine entsprechende Ausschreibung im Schengener Informationssystem, die alle nach § 83a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 IRG erforderlichen Angaben enthalten und deshalb eine ausreichende Auslieferungsgrundlage darstellen. Grundlage ist ein nationaler Haftbefehl desselben Gerichts vom 1. Juli 2015 (13/UP/01.07.2015).

2. Dem Verfolgten werden darin folgende Taten zur Last gelegt:

a) Im Juni 2015 schloss er einen Vertrag für einen Aufenthalt in dem Hotel BLANCA in Medgidia für eine Aufenthaltsdauer vom 21. Juni bis zum 21. Juli 2015, wobei er von vornherein nicht beabsichtigte das Entgelt zu entrichten. Tatsächlich hielt er sich vom 21. bis zum 25. Juni 2015 in dem Hotel auf und verschwand dann, ohne zu bezahlen.

b) Am 24. Juni 2015 spiegelte er in Medgidia dem Zeugen Milea Stelian-Romeo vor, diesen als Buchhalter bei der NGO STEPHANOS einzustellen und verlangte als Gegenleistung von dem Zeugen, ein falsches Dokument herzustellen, in dem der Wahrheit zuwider bestätigt wurde, die Einkünfte der NGO STEPHANOS würden 12.000 Ron (2.700 EUR) betragen.

c) Im Zeitraum vom 24. bis zum 25. Juni 2016 verwendete er das gefälschte Dokument und versuchte auf Kredit Elektrogeräte im Gesamtwert von 30.000 RON (6.700 EUR) bei der Firma SC ALTEX ROMANIA SRL in Medgidia zu kaufen, wurde jedoch auf frischer Tat von der Polizei gefasst.

II.

Die Auslieferung des Verfolgten im Übrigen ist zulässig (§ 15 Abs. 2 IRG).

1. Gemäß § 81 Nr. 4 IRG erfolgt keine Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit, da die dem Ersuchen zugrunde liegenden Taten nach rumänischem Recht den in Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1) aufgeführten Deliktsgruppen zugehörig (Betrug) und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bedroht sind.

2. Die Voraussetzungen des § 81 Nr. 1 IRG liegen vor. Die dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten sind im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren bedroht, so dass das erforderliche Mindestmaß von zwölf Monaten überschritten ist.

3. Verfolgungsverjährung ist ersichtlich noch nicht eingetreten.

4. Die Grundsätze der Gegenseitigkeit und Spezialität (§§ 5 und 11 IRG) sind gemäß § 82 IRG nicht zu berücksichtigen.

III.

Auslieferungs- und Bewilligungshindernisse liegen nicht vor (§§ 73, 83, 83b IRG).

1. Die Tat weist mit Blick auf ihren Begehungs- und Erfolgsort die notwendige Beziehung zum ersuchenden Staat auf (§ 83b Abs. 2 lit. a i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IRG).

2. Auslieferungshindernisse bestehen nicht. Dies gilt vor dem Hintergrund der Gewährleistungen von § 73 Satz 1 und 2 IRG i.V.m. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta namentlich auch mit Blick auf die Haftbedingungen in Rumänien.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 5. April 2016 in den verbundenen Rechtssachen Aranyosi und Caldararu - C-404/15 und C-659/15 PPU, NJW 2016, 1709 ff., m. Anm. Böhm) ist klargestellt, dass der in Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss) verankerte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens die Mitgliedstaaten zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls verpflichtet. Lediglich die abschließend im Rahmenbeschluss aufgezählten Zurückweisungsgründe können ausnahmsweise die Ablehnung der Auslieferung begründen. Außerdem kann die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nur an eine der in Art. 5 des Rahmenbeschlusses erschöpfend aufgeführten Bedingungen geknüpft wer...

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