Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Rahmenbeschluss 2002/584/JI. Europäischer Haftbefehl. Gründe für die Ablehnung der Vollstreckung. Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 4

 

Beteiligte

Aranyosi

Pál Aranyosi

Robert Căldăraru

 

Tenor

Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die vollstreckende Justizbehörde, sofern sie über objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben verfügt, die das Vorliegen systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder bestimmte Haftanstalten betreffender Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat belegen, konkret und genau prüfen muss, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die Person, gegen die sich ein zum Zweck der Strafverfolgung oder der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erlassener Haftbefehl richtet, aufgrund der Bedingungen ihrer Inhaftierung in diesem Mitgliedstaat einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt sein wird, falls sie ihm übergeben wird. Dabei muss die vollstreckende Justizbehörde die ausstellende Justizbehörde um zusätzliche Informationen bitten, und Letztere muss diese Informationen, nachdem sie erforderlichenfalls die oder eine der zentralen Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats im Sinne von Art. 7 des Rahmenbeschlusses um Unterstützung ersucht hat, innerhalb der im Ersuchen gesetzten Frist übermitteln. Die vollstreckende Justizbehörde muss ihre Entscheidung über die Übergabe der betreffenden Person aufschieben, bis sie die zusätzlichen Informationen erhalten hat, die es ihr gestatten, das Vorliegen einer solchen Gefahr auszuschließen. Kann das Vorliegen einer solchen Gefahr nicht innerhalb einer angemessenen Frist ausgeschlossen werden, muss die vollstreckende Justizbehörde darüber entscheiden, ob das Übergabeverfahren zu beenden ist.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (Deutschland) mit Entscheidungen vom 23. Juli und vom 8. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli und am 9. Dezember 2015, in Verfahren betreffend die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle gegen

Pál Aranyosi (C-404/15),

Robert Căldăraru (C-659/15 PPU)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, T. von Danwitz und D. Šváby, der Richter A. Rosas, E. Juhász, A. Borg Barthet, J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter), der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas, M. Vilaras und E. Regan,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Aranyosi, vertreten durch Rechtsanwältin R. Chekerov,
  • von Herrn Căldăraru, vertreten durch Rechtsanwalt J. van Lengerich,
  • der Generalstaatsanwaltschaft Bremen, vertreten durch Oberstaatsanwalt M. Glasbrenner,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • Irlands, vertreten durch E. Creedon, L. Williams, G. Mullan und A. Joyce als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch A. Sampol Pucurull als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch F.-X. Bréchot, D. Colas und G. de Bergues als Bevollmächtigte,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und J. Nasutavičienė als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, G. Koós und M. Bóra als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch R. Radu und M. Bejenar als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. März 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 1 Abs. 3, Art. 5 und Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002...

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