Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsbeweis für unsorgfältige Aufbewahrung von Kredit- oder EC-Karten und PIN

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.01.2005; Aktenzeichen 2/23 O 474/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.1.2005 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG in Frankfurt/M. wird zurückgewiesen, soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 98 % und die Beklagte 2 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, der den Sachstand sehr ausführlich wiedergibt, wird Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Hauptantrag sei mangels Aktivlegitimation unbegründet. Aus Art. 1 § 3 Ziff. 8 des Rechtsberatungsgesetzes ergebe sich keine sachliche Befugnis des Klägers zur Geltendmachung der Ansprüche der Zedenten, da diese Geltendmachung nicht im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich sei, da die zur Klärung angestrebte obergerichtliche Entscheidung im Laufe des Verfahrens gefallen sei. Die Aktivlegitimation des Klägers fehle auch, weil die Frage, ob seitens der Bankkunden eine grob fahrlässige Handlungsweise im Umgang mit Karte und PIN anzunehmen sei, für jeden Einzelfall gesondert zu untersuchen sei. Der Kläger irre, wenn er meine, es genüge, abstrakt denkbare Sicherheitslücken und mögliche Fehlfunktionen darzutun, die mit den streitgegenständlichen Einzelfällen gar nicht in Verbindung stehen. Der Kläger habe nicht die Aufgabe, für die einzelnen Verbraucher einen allein deren wirtschaftliche Situation betreffenden Individualprozess zu führen. Die Aktivlegitimation fehle auch bezüglich des einen Falles, in dem noch der alte DES-Schlüssel zur Anwendung gekommen sei. Die Beweislast liege in diesem Fall nicht anders; überdies diene es jetzt nicht mehr dem Verbraucherschutz, wenn diese Frage geklärt werde, da nicht ersichtlich sei, dass es noch eine nennenswerte Anzahl von Altfällen gebe.

Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil das Wertstellungsdatum jeweils nicht angegeben worden sei und überdies ein Teil der Konten nicht mehr bestehe. Der Hilfsantrag sei auch unbegründet, weil Art. 1 § 3 Ziff. 8 des Rechtsberatungsgesetzes sich nicht auf Berichtigungsansprüche beziehe und auch insoweit das Argument der Notwendigkeit der Einzelfallbezogenheit eingreife.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet:

Die Aktivlegitimation des Klägers sei im vorliegenden Fall in Anbetracht des kollektivrechtlichen Bezuges gegeben. Besondere Umstände zur Berechtigung zur gerichtlichen Einziehung von Forderungen im Interesse des Verbraucherschutzes im Sinne der vom LG zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 17.10.2003 könnten nicht gefordert werden (Bl. 626). Die Frage, ob ein Prozess im Interesse des Verbraucherschutzes liege, stehe im nicht überprüfbaren Ermessen der jeweiligen Verbraucherschutzorganisation. Das Verbraucherschutzinteresse bestehe auch in Anbetracht der vom LG zitierten Entscheidung des BGH vom 5.10.2004, da dieses sich nur auf eine Sparkasse, die einen 128 Bit-Schlüssel verwandt habe, beziehe und der Begründung nach dem Bankkunden nicht die Möglichkeit nehmen wollte, Beweise für von ihm vermutete Sicherheitsmängel anzutreten. Es müsse ausreichen, dass der Kläger allgemein darlege, dass eine Sicherheit des mit Geheimzahl geschützten 128 Bit-Verschlüsselungsverfahrens, das mit dem der deutschen Sparkassen nicht völlig übereinstimme, nicht bestehe. Dies könne mit zahlreichen Beispielsfällen, bei denen teilweise die Geheimzahl sich zum Zeitpunkt der Abhebung noch in verschlossenem Umschlag bei den Kontoinhabern befunden habe, belegt werden. Die Arbeiten einer Reihe von Wissenschaftlern in den letzten Jahren hätten Sicherheitslücken des PIN-Verfahrens bei Debit- und Kreditkarten aufgedeckt. Täter könnten eine eigene PIN generieren oder die PIN der gestohlenen Karte ermitteln. So habe

  • eine Untersuchung von Kryptologen der Universität Cambridge ergeben,dass Kreditkarten mit neuer Chip-Technologie ausgespäht werden könnten,
  • der Sachverständige Rattay in einem Prozess vor dem LG in Hannover dargelegt, dass das PIN-Verfahren mit Hilfe kryptologischer und/oder mathematischer Methoden (sog. smart attacks) gebrochen werden könne,
  • Prof. Fu und seine Forschungsgruppe von der Universität in Massachusetts herausgefunden, dass zumindest in der USA verwendete Kreditkarten mit RFID-Transpondern angreifbar seien, weil mit Hilfe von Bastlergeräten Informationen durch den ungeöffneten Briefumschlag gelesen werden könnten,
  • die Ausarbeitung israelischer (Berkman und Ostovsky, Tel Aviv) und britischer (Prof. Anderson, Cambridge) Wissenschaftler ergeben, dass es in verschiedener Hinsicht möglich sei, die Schnittstellen anzugreifen und Daten auszuspähen,
  • Mr. Bond (Cambridge) festgestellt, dass durch einen Angriff die meist unverschlüs...

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