Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 31.10.1996; Aktenzeichen 1 O 266/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 31. Oktober 1996 abgeändert.

Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs wird das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Beklagten wird auf 210.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Oktober 1991 von der Gemeinde … das dort gelegene Grundstück … und verpflichtete sich, das Grundstück innerhalb von drei Jahren mit einem Wohnhaus unter Berücksichtigung des damals gültigen Bebauungsplanes zu bebauen. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des vom Regierungspräsidium Kassel am 30. September 1980 genehmigten Bebauungsplanes Nr. 2 „Vor der Nutzscheidhecke” der Gemeinde …; hiernach handelt es sich um ein allgemeines Wohngebiet, in dem zwei Vollgeschosse bei einer Geschoßflächenzahl von 0,8 erlaubt waren. Die Klägerin war auch Eigentümerin des benachbarten Grundstücks (Flurstück …). Insoweit beantragte sie am 2. November 1992 bei dem Bauamt des Beklagten die Nutzungsänderung des Gebäudes zum Aussiedlerwohnheim. Die gleiche Nutzungsform hatte sie auch für das auf dem hinzuerworbenen Grundstück zu errichtende Gebäude geplant. Allerdings waren zunächst die für das bereits bebaute Grundstück notwendigen Stellplätze nicht nachgewiesen.

Am 14. Januar 1993 reichte die Klägerin einen Bauantrag für den Bau eines 8-Familien-Hauses auf dem Grundstück … bei der Außenstelle … des Beklagten ein, den ihr Architekt in der für den Entwurfsverfasser vorgesehenen Rubrik, sie selbst aber nicht auf dem für den Bauherrn, sondern für den Bauleiter bestimmten Vordruckfeld unterschrieben hatte. Dem Antrag waren der Lageplan, der Freiflächenplan, die Bauzeichnung, die Berechnung des umbauten Raumes, der Wohn- und Nutzfläche nach der II. BerechnungsVO und der Herstellungskosten beigefügt, nicht jedoch die Baubeschreibung und der Standsicherheitsnachweis. Wegen der Einzelheiten des Bauantrages wird auf die als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Ablichtungen Bezug genommen (Bl. 23 bis 25 d.A.). Zugleich stellte sie einen Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung. In der von ihrem Ehemann als Vertreter allein unterzeichneten Antragsschrift heißt es:

„Anbei übersende ich Ihnen einen Bauantrag mit der Bitte um planungsrechtliche Prüfung und Ausstellung einer UNBEDENKLICHKEITSBESCHEINIGUNG.

Sollten für die Beurteilung zur Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung noch irgend welche Unterlagen nachzureichen sein, so bitte ich Sie, dies mir, u.U. auch tel. umgehend mitzuteilen.

Nach Erhalt der UB werde ich sofort die noch zur Baugenehmigung erforderlichen Unterlagen bei meinem Architekten in Auftrag geben und nachreichen.

Ich bitte um eine schnelle und wohlwollende Prüfung ….”

Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der beantragten Art war bei Antragstellung im Erlaß des Hessischen Ministers des Innern vom 20. März 1985 vorgesehen (Staatsanzeiger für das Land Hessen 1985, Seite 666 (Veröffentlichung Nr. 325)), der folgenden Inhalt hat:

„Aus konjunktureller und beschäftigungspolitischer Sicht ist es erforderlich, die für die einzelnen Bauprogramme bereitstehenden Mittel möglichst umgehend einzusetzen. Es sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Zeitspannen zwischen der Bereitstellung der Fördermittel, dem Baubeginn und dem Bezug der Wohnungen zu verkürzen. Hierzu gehört insbesondere die bevorzugte Bearbeitung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens. Nach Nr. 29 Abs. 4 der Wohnungsbaurichtlinien muß bei der Bewilligung der öffentlichen Mittel die bauaufsichtliche Genehmigung, in Ausnahmefällen mindestens die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Bauaufsichtsbehörde vorliegen.

Ist abzusehen, daß eine schnelle Bearbeitung der Bauanträge für Vorhaben des sozialen Wohnungsbaus nicht gewährleistet ist, soll auf Antrag des Bauherrn von der Möglichkeit der Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung Gebrauch gemacht werden. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung ist eine Erklärung der Bauaufsichtsbehörde, die aussagt, daß gegen das Bauvorhaben in seiner Lage, seinem Umfang und seiner Form keine Bedenken vorbehaltlich einer eingehenden Prüfung erhoben werden. Die endgültige bauaufsichtliche Genehmigung kann daher noch Änderungen der Planung oder der Ausführung erforderlich machen. Die bauaufsichtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ist insoweit als ein Vorbescheid der Bauaufsichtsbehörde anzusehen und darf daher nur dann ausgestellt werden, wenn grundsätzlich feststeht, daß die Baugenehmigung erteilt werden wird. Bedarf die Baugenehmigung bzw. die zu ihrer Erteilung erforderliche Ausnahme oder Befreiung der Zustimmung oder des Einvernehmens einer anderen Behörde oder Stelle, so kann die Bescheinigung erst ausgestellt werde...

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