Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsbeweis bei Brandschaden

 

Leitsatz (amtlich)

Das Rauchen einer industriell gefertigten Sicherheitszigarette begründet nicht ohne weiteres einen Beweis des ersten Anscheins für die Verursachung eines später bemerkten Brandes.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Urteil vom 11.11.2020; Aktenzeichen 1 O 71/18)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. November 2020 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Versicherung nimmt den Beklagten nach Regulierung eines Brandschadens aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch mit dem Vorwurf, er habe den Brand fahrlässig verursacht.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen:

Die Klage sei unbegründet. Der Klägerin stehe kein Zahlungsanspruch in Höhe von 67.318,25 Euro gegen den Beklagten zu. Es sei nicht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO erwiesen, dass der Beklagte den Brandschaden durch unsachgemäße Entsorgung einer glimmenden Zigarettenkippe in einem Polstersessel verursacht habe. Sein Vortrag, er habe seine Zigarette in einer metallenen Nierenschale vollständig ausgedrückt und sich hierüber anschließend vergewissert, sei durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt worden. Die Zeugen A und B hätten das Vorhandensein einer solchen Nierenschale glaubhaft bestätigt. Da in dem Verbindungshaus zur fraglichen Zeit eine private Feier mit auswärtigen Gästen stattgefunden habe, der (Pauk-) Raum frei zugänglich gewesen und üblicherweise zum Zigarettenrauchen genutzt worden sei, könne der Brand auch von einer anderen Person verursacht worden sein. Die von dem Zigarettenrauchen des Beklagten bis zur Brandentdeckung verstrichene Zeitspanne habe hierfür nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C genügt.

Insoweit komme der Klägerin auch kein Anscheinsbeweis zugute. Sie habe das Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs, der nach der Lebenserfahrung auf eine Brandverursachung durch den Beklagten schließen lassen könnte, nicht bewiesen. Das Rauchen einer Zigarette in einem geschlossenen Raum neben einem Polstersessel genüge hierfür nicht, zumal, wenn sich dort - wie im vorliegenden Fall - Nierenschalen befänden, die üblicherweise zum Abaschen benutzt würden, und andere Brandursachen nicht ausgeschlossen seien. Daher komme es nicht darauf an, ob der Beklagte seine Zigarette - wie von ihm vorgetragen - in Sesselnähe stehend oder - wie die Klägerin behaupte - im Sessel sitzend geraucht habe.

Selbst wenn man einen Beweis des ersten Anscheins für eine Brandverursachung durch den Beklagten annehmen wollte, wäre dieser Anschein erschüttert, weil der Brand auch durch das unachtsame Verhalten eines anderen Zigarettenrauchers ausgelöst worden sein könne.

Jedenfalls sei ein Sorgfaltsverstoß des Beklagten im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB durch unsachgemäßen Umgang mit seiner Zigarette nicht erwiesen. Er habe diese seinem unwiderlegten Vortrag zufolge erlaubterweise in dem Paukraum geraucht und sie dann vollständig in einer metallenen Nierenschale ausgedrückt, aus der sie nicht habe herausfallen können.

Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil vom 11. November 2020 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Sie rügt fehlerhafte Tatsachenfeststellungen sowie formelle und materielle Rechtsfehler des Landgerichts.

Das Urteil sei unter Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergangen. Der Rechtsstreit sei durch Beschluss vom 20. August 2020 gemäß § 348 a Abs. 1 ZPO dem zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden, so dass hierfür - nach Dezernatswechsel - zuletzt Einzelrichterin D zuständig gewesen sei. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils beruhe dieses aber nicht auf der rechtlichen Würdigung dieser Einzelrichterin, sondern auf der Rechtsauffassung der unzuständigen Kammer und insoweit auf sachfremden Erwägungen.

Außerdem beruhe das Urteil auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung. Der Beklagte habe sich fünf bis fünfundzwanzig Minuten vor der Brandentwicklung mit einer brennenden Zigarette in unmittelbarer Nähe des in Brand geratenen Polstersessels aufgehalten, das Spurenbild des Brandes könn...

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