Entscheidungsstichwort (Thema)

Flugbeförderung eines israelischen Staatsbürgers mit Zwischenstopp auf kuwaitischem Staatsgebiet

 

Leitsatz (amtlich)

Dem kuwaitischen Einheitsgesetz zum Israel-Boykott ist in der Bundesrepublik Deutschland als Eingriffsnorm nach Art. 9 Abs. 3 Rom-I-VO keine Wirkung zu verleihen. Die faktische Existenz dieser Verbotsnorm und ihre Auswirkungen bilden jedoch bei der Flugbeförderung eines israelischen Staatsbürgers mit Zwischenstopp auf kuwaitischem Staatsgebiet ein tatsächlich entgegenstehendes Leistungshinternis. Gleiches gilt für das Fehlen der vom kuwaitischen Staat vorgeschriebenen Reisedokumente.

 

Normenkette

BGB § 275; Rom-I-VO Art. 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 16.11.2017; Aktenzeichen 2-24 O 37/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.11.2017 - Az. 2-24 O 37/17 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahren zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein in Deutschland lebender israelischer Staatsbürger. Er begehrt von der beklagten Fluggesellschaft, deren Alleineigentümer der Staat Kuwait ist, die Flugbeförderung von Frankfurt am Main nach Bankgkok und zurück jeweils mit Transitaufenthalt in Kuwait-Stadt, hilfsweise Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung.

Der Kläger buchte am X.6.2016 über ein Online-Reiseportal für eine private Urlaubsreise die vorstehend genannten Hin- und Rückflüge. Das Online-Reiseportal bestätigte zunächst die Buchung und übermittelte dem Kläger eine Buchungsnummer. Nachdem der Kläger im Rahmen der Nutzung der IOS-App der Beklagten mit Email-Schreiben seine Staatsangehörigkeit mitgeteilt hatte, teilte die Beklagte ihrerseits mit Email-Schreiben vom 14.6.2016 mit, die Flüge zu "stornieren".

Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist festzuhalten, dass bei der in Rede stehenden Flugverbindung auf dem Flughafen in Kuwait-Stadt ein Wechsel des Fluggeräts stattfindet. Auf der Buchungsplattform, über welche der Kläger seine Buchung vornahm, wird die Staatsangehörigkeit des Kunden nicht abgefragt. Die Gestaltung der Buchungsplattform ist von der Beklagten nicht zu beeinflussen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen. Es hat seine internationale Zuständigkeit nach § 29 ZPO bejaht. Das Rechtsverhältnis der Parteien bestimme sich gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO in Ermangelung einer anderslautenden Rechtswahl nach dem Recht des Staates, in dem die zu befördernde Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, mithin aufgrund des Wohnsitzes des Klägers in Berlin nach deutschem Recht. Auch wenn zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag über die beantragte Beförderungsleistung zustande gekommen sei, stehe dem Kläger kein Anspruch auf Vertragserfüllung gegen die Beklagte zu, da ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit i.S. von § 275 Abs. 1, 2. Alternative BGB vorliege. Denn der Beförderungsvertrag unterfalle dem Gesetz Nr. 21 des Staates Kuwait aus dem Jahr 1964, so dass der Beklagten als juristische Person des Staates Kuwait mit Sitz in Kuwait-Stadt im Hinblick auf die israelische Staatsbürgerschaft des Klägers die Erbringung der nach dem Vertrag geschuldeten Beförderungsleistung verboten sei. Dabei sei unerheblich, dass dieses Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland keine Gültigkeit beanspruche. Maßgebend sei vielmehr die danach bestehende Strafandrohung gegenüber der Beklagten und der für sie handelnden Personen im Falle eines Gesetzesverstoßes, welcher ihr die Erfüllung der sich aus dem Vertrag ergebenden Beförderungspflichten unzumutbar mache. Vor diesem Hintergrund bestehe auch keine Leistungspflicht der Beklagten aus § 21 Abs. 2 Satz 3 LuftVG, zumal der Kläger auf die Beförderung durch die Beklagte nicht angewiesen sei, um an den Zielort Bankgkok zu gelangen. Ebenso wenig folge eine Beförderungspflicht der Beklagten aus dem Diskriminierungsverbot, der Anwendbarkeit der EMRK oder dem Grundsatz von Treu und Glauben. Auch verstoße es nicht gegen den ordre public (Art. 21 Rom-I-VO), wenn im Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1 BGB das Gesetz eines fremden Staates Beachtung fände. Bei der Beurteilung der rechtlichen Unmöglichkeit gehe es nicht darum, ob das Gesetz Nr. 21 des Staates Kuwait aus dem Jahr 1964 nach den Wertungen der deutschen oder europäischen Rechtsordnung Bestand haben könne, sondern um die sich für die Beklagte und die für sie handelnden Personen ergebende Rechtsfolge bei einem Gesetzesverstoß. Die Berücksichtigung dieses Gesetzes im Rahmen der rechtlichen Unmö...

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