Entscheidungsstichwort (Thema)

"Dritter" im Sinne von Art. VIII Abs. 5 NATO-Truppenstatut

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob eine deutsche Staatsangehörige als zivilbeschäftige Arbeitnehmerin der US-Streitkräfte "Dritte" im Sinne des NATO-Truppensatuts ist

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Entscheidung vom 14.07.2017; Aktenzeichen 14 O 118/17)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.07.2017 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Zahlung für den Entsendestaat verurteilt wird.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Ersatz des Schadens, der an ihrem PKW am 07.06.2016 durch die Kollision mit einem PKW der amerikanischen Streitkräfte auf dem Gelände der X-Kaserne der US-Streitkräfte in Stadt1 verursacht wurde. Die Parteien streiten um die Frage, ob die Klägerin - eine in Deutschland lebende deutsche Staatsangehörige - als zivilbeschäftigte Arbeitnehmerin der US-Streitkräfte "Dritte" im Sinne des Art. VIII Abs. 5 des vom 19.6.1951 (NTS) i.V. mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzabkommens zu dem NATO-Truppenstatut (NTS-ZA) ist und ihr deshalb ein von der Beklagten zu regulierender Schadensersatzanspruch zusteht. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der auf Zahlung des Wiederbeschaffungsaufwands in Höhe 2.730 EUR und der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 30 EUR gerichteten Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die eine Verletzung materiellen Rechts rügt und unter Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend macht:

Das Landgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass die in Prozessstandschaft für die USA in Anspruch genommene Bundesrepublik Deutschland passivlegitimiert sei. Die Klägerin sei als zivile Arbeitnehmerin nicht "Dritte" im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NATO-Truppenstatut. Der Anwendungsbereich des Art. VIII Abs. 5 NTS sei in Gänze nicht eröffnet. Dieser weite Anwendungsbereich, der seinem Wortlaut nach deliktische Schäden aller nicht zu den Vertragspartnern gehörenden Dritten umfasse, werde durch Art. 41 Abs. 6 NTS-ZA dahingehend eingeschränkt, dass die Regulierungsprivilegierung aus Art. VIII Abs. 5 NTS keine Anwendung auf Schäden finde, die Mitgliedern einer Truppe oder eines zivilen Gefolges durch Handlung oder Unterlassung anderer Mitglieder der gleichen Truppe oder ihres zivilen Gefolges oder durch andere Begebenheiten verursacht worden seien, für welche die genannte Truppe oder ihr ziviles Gefolge haftbar sei. Damit seien interne Schadensereignisse zwischen Mitgliedern einer Truppe oder eines zivilen Gefolges von der Regulierungsprivilegierung ausgenommen. Die in der Bundesrepublik Deutschland lebende Klägerin sei zwar dem zivilen Gefolge i.S.v. Art. 41 Abs. 6 NTS-ZA nicht unmittelbar zuzuordnen. Zwischen der Klägerin und den US-Streitkräften der Vereinigten Staaten von Amerika bestehe aber eine vertragliche Beziehung aufgrund eines Arbeitsvertrages. Die Klägerin sei Beschäftigte des Hauptquartiers der amerikanischen Streitkräfte in der X-Kaserne in Stadt1. Ihr Tätigkeitsfeld umfasse die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Geländes und der Gebäude. Sie sei mit der Organisation, der Hierarchie und den Arbeitsabläufen der amerikanischen Streitkräfte am Standort Stadt1 sehr gut vertraut. Aufgrund dieses Näheverhältnisses sei sie in den Betrieb der amerikanischen Streitkräfte so eingegliedert, dass ihr Arbeitgeber die US-Streitkräfte seien. Es sei davon auszugehen, dass sie den Weisungen amerikanischer militärischer Stellen jeder Zeit Folge zu leisten habe. Die Klägerin habe sich somit bewusst und gewollt in den Wirkungsbereich der amerikanischen Streitkräfte begeben und stehe daher in einem besonderen Verhältnis zur USA. Sie sei mithin nicht "Dritte" i. S. von Art. VIII Abs. 5 NTS. Diese enge Auslegung des Begriffs des "Dritten" stehe im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Artikel VIII Abs. 5 NTS. Diese Vorschrift stelle eine Schutzvorschrift zugunsten der Bürger der Aufnahmestaaten dar. Der Bund übernehme insoweit die Verantwortung für den von ihm veranlassten Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland. Bürgern, die nicht "zufällig" von einem Schaden betroffen seien, sondern sich bewusst und freiwillig in die Sphäre der ausländischen Streitkräfte begeben würden, sei es zumutbar, ihre Rechte beim "Kollegen" durchzusetzen. Bei zivilen Arbeitnehmern bestehe kein Schutzbedürfnis. Ihnen stünden vertragliche Ansprüch...

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