Leitsatz (amtlich)

Zum Umfang materiellen und immateriellen Schadensersatzes gegen den Arzt, der sich einen Behandlungsfehler vorhalten lassen muss.

 

Normenkette

BGB §§ 252, 823, 842-843, 847

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 4 O 107/96)

 

Gründe

I. Der am 25.6.1952 geborene Kläger nimmt die beklagte Ärztin aufgrund eines Behandlungsfehlers in Anspruch. Er wirft ihr vor, ihn aufgrund einer falschen Diagnose über einen längeren Zeitraum hinweg mit einem stark cortisonhaltigen Medikament behandelt zu haben, als dessen Folge beidseitige Hüftkopfnekrosen aufgetreten seien. Er habe sich deswegen im Juni 1994 und im März 1995 Operationen unterziehen müssen, bei denen die Nekrose durch Stanzen bzw. durch Bohren der Hüftköpfe behandelt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das am 27.8.1999 verkündete Grundurteil des LG Limburg an der Lahn verwiesen (Bl. 321-327 d.A.). Das LG hat dort festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger ohne medizinische Indikation über mehrere Monate das Cortisonpräparat ... in hohen Dosen verordnet hat, was die Nekrose ausgelöst hat.

Nun streiten die Parteien im Betragsverfahren über die Höhe des Schmerzensgeldes und vor allem des Verdienstausfalls.

Der Kläger war im Zeitpunkt seiner Erkrankung als Kraftfahrzeugmeister bei einem Automobilbetrieb in O1 beschäftigt. Nach diversen krankheitsbedingten Fehlzeiten arbeitete er zuletzt am 11.8.1994. Seitdem ist er nicht mehr erwerbstätig gewesen. Seit Februar 1995 erhält der Kläger von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Mit Bescheid vom 4.1.2001 ist sie auf Dauer gewährt (Bl. 594 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, er sei durch die Fehlbehandlung der Beklagten so geschädigt, dass er ständig Schmerzen erleide und auf Gehstützen angewiesen sei, ohne die er niemals längere Strecken zurücklegen könne. Durch den Verlust seines Arbeitsplatzes habe er in den Jahren 1992 - 1999 einen Verdienstausfall i.H.v. ca. 215.170 DM erlitten. Daneben stünde ihm ein Schmerzensgeld i.H.v. 200.000 DM zu, auf das die Zahlung der Beklagten vom 24.4.2001 i.H.v. 50.000 DM anzurechnen sei. Außerdem hat der Kläger die Erstattung erhöhter Unkosten i.H.v. ca. 9.500 DM, Ausgleich für die Zinsen von einem Bau- und zwei allgemeinen Darlehen und zuletzt die Kosten für die Überziehung seines Girokontos verlangt. Er will außerdem festgestellt wissen, dass die Beklagte ihm sämtliche künftigen Schäden ersetzen muss, die durch die Fehlbehandlung noch entstehen werden.

Das LG hat zur Schadenshöhe Beweis erhoben durch Befragung des früheren Arbeitgebers des Klägers zu seinen Gehaltszahlungen (Blatt 533 d.A.), durch Einholung von Auskünften der Krankenversicherung und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Blatt 593/594 d.A.) sowie durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. A (Blatt 602 bzw. 657 d.A.).

Durch das angefochtene Urteil hat das LG die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. (weiteren) 76.693,78 EUR (150.000 DM), zur Zahlung von Verdienstausfall für die Zeit vom August 1994 bis Dezember 1999 i.H.v. 99.784,42 EUR (195.161,36 DM) und zur Erstattung von Unkosten i.H.v. 4.657,55 EUR (9.109,37 DM) verurteilt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Beklagte schulde dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 200.000 DM, weil er durch die Fehlbehandlung körperlich und psychisch erheblich beeinträchtigt sei und wahrscheinlich bald weitere Operationen zur Implantation von Hüfttotalendoprothesen, über sich ergehen lassen müsse. Auch die Erwerbsminderung und das verzögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten hätten den Schmerzensgeldbetrag erhöht. Der Verdienstausfall sei gerechtfertigt, weil der Kläger durch die Hüftkopfnekrose erwerbsunfähig geworden sei.

Die Beklagte hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie wirft dem LG vor, Grad und Ausmaß der Behinderung des Klägers nicht hinreichend aufgeklärt zu haben. So habe das LG prüfen müssen, ob der Kläger nicht trotz seiner Erkrankung einer angemessenen Beschäftigung nachgehen könne. Ermittlungen einer Detektei hätten beispielsweise ergeben, dass der Kläger in der Lage sei, einen Pkw mit und ohne Schaltgetriebe, ein Motorrad und ein Motorboot zu führen sowie einfache Reparaturarbeiten auszuführen. Die vorliegenden Lichtbilder (Blatt 796-799 d.A.) sowie ein von einem Detektiv erstelltes Videoband belegten, dass der Kläger in der Lage sei, längere Wegstrecken ohne Gehhilfe zurückzulegen, sein Hüftgelenk in erheblichem Maß zu beugen und zu belasten, so dass man davon ausgehen müsse, dass er sein Leiden aggraviere. Das LG habe ferner die Frage aufklären müssen, ob eine Endoprothesenbehandlung erforderlich sei. Das LG habe nicht von einer verzögerten Regulierung ausgehen dürfen, weil die Beklagte berechtigterweise weitere Auskünfte zum Gesundheitszustand benötigt habe, die ihr vom Kläger verweigert worden seien.

Die Beklagte bean...

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