Leitsatz (amtlich)

Zur Befreiung einer "Europäischen Schule" von der deutschen Gerichtsbarkeit.

 

Normenkette

Europäisches Übereinkommen über Staatsimmunität § 27

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-27 O 148/05)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.07.2018; Aktenzeichen 2 BvR 1961/09)

BGH (Urteil vom 09.07.2009; Aktenzeichen III ZR 46/08)

 

Gründe

Die Kläger, deren Kinder die A O1 besuchen, verfolgen mit der Klage die Herabsetzung einer über 30%igen Schulgelderhöhung, die ihrer Meinung nach unbillig i.S.d. § 315 BGB und deshalb zurückzuzahlen sei, weil das bei Beginn des Schulvertragsverhältnisses gegebene Äquivalenzverhältnis zwischen Ausbildung und Schulgeld nicht gewahrt sei.

Die Kläger machen insbesondere geltend, sie seien von einer langfristigen, die gesamte Schulausbildung der Kinder betreffenden Bindung ausgegangen, was bei der Festsetzung des Schulgeldes nach billigem Ermessen zu berücksichtigen sei.

Die Festsetzung des Schulgeldes ist, wie ausdrücklich in den Aufnahmeanträgen vorgesehen, durch den obersten Rat der europäischen Schulen für diese Schulen in mehreren europäischen Ländern einheitlich und ohne nähere Begründung erfolgt.

Die Einrichtung europäischer Schulen, deren Besuch nur für die Kinder der Bediensteten der Gemeinschaft ohne Schulgeldzahlung möglich ist, beruht auf einer zwischen den Mitgliedern der EG getroffenen Vereinbarung über die Satzung der europäischen Schulen (Bl. 24 f.) auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Nach Art. 24 der Satzung wird der Haushalt der Schulen finanziert durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten, den Beitrag der europäischen Gemeinschaften und u.a. auch durch die Einnahmen der Schulen, insbesondere das Schulgeld, das den Eltern der Schüler, die nicht Bedienstete der Gemeinschaft sind, auf Beschluss des obersten Rates auferlegt wird. Gemäß Art. 27 der Satzung wird eine Beschwerdekammer eingesetzt, die u.a. bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom obersten Rat getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die erst - und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit habe. Bei finanziellen Streitigkeiten hat die Beschwerdekammer die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung. Die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal und der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt. In Art. 27 Abs. 7 heißt es: " Andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte."

Die von den Klägern angerufene Beschwerdekammer hat ihre Zuständigkeit verneint, weil eine Beschwerde gegen Schulgeldentscheidungen des Obersten Rats nicht ausdrücklich in der Schulordnung vorgesehen ist (Bl. 57). Es sei im Übrigen festzustellen, dass die Beschwerdeführer selbst vortragen, das zwischen ihnen und der Europäischen Schule bestehende Rechtsverhältnis sei privatrechtlich und unterliege dem deutschen Zivilrecht.

Die Beklagte hat zunächst nicht zur Sache Stellung genommen, sondern lediglich das Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit gerügt und die Vereinbarung eines privaten Schiedsgerichts angeregt, dieses Angebot aber nicht aufrechterhalten und vorgetragen, der Generalsekretär der europäischen Schulen werde dem obersten Rat einen Vorschlag zur Ergänzung der allgemeinen Schulordnung dahin vorlegen, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens vor der Beschwerdekammer gem. Art. 27 Abs. 2, 2. Unterabsatz der Satzung geschaffen werde. Nachdem es zu der beabsichtigten Regelung der von der Beschwerdekammer vermissten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht kam und das Verfahren fortgesetzt wurde, beantragte die Beklagte, vorab durch Zwischenurteil über das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit zu entscheiden.

Das LG hat durch Zwischenurteil vom 28.4.2006 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen deutschen Gerichten gegeben sei und das angerufene LG Frankfurt/M. zuständig sei. Das LG hat die Auffassung vertreten, bei der vorliegenden Streitigkeit handele es sich um eine "andere Streitigkeit" i.S.d. Art. 27 Abs. 7 der Satzung, die der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterliege. Das LG hat dies daraus hergeleitet, dass die allgemeine Schulordnung der europäischen Schulen keine Bestimmungen enthalte, die Beschwerden von Eltern gegen die durch den obersten Rat getroffenen Festsetzungen des Schulgeldes betreffe. Dies habe auch bereits die Beschwerdekammer der europäischen Schulen festgestellt und deshalb die Beschwerden der Kläger durch Beschluss vom 8.11.2004 als unzulässig zurückgewiesen (Bl. 55 f.). Fehle es an der Zuständigkeit der Beschwerdekammer, sei eine "andere Streitigkeit" i.S.d. Art. 27 Abs. 7 der Satzung gegeben. Damit liege insoweit die Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit vor und ein wirksamer...

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