Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwendbarkeit des § 140 III MarkenG auf die Erstattung vorgerichtlicher Patentanwaltskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 140 III MarkenG ist auf die Erstattungsfähigkeit vorprozessualer Patentanwaltskosten nicht entsprechend anwendbar.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in Kennzeichenstreitsachen neben der Beauftragung eines Rechtsanwalts die Hinzuziehung eines Patentanwalts für die Abmahnung als erforderlich angesehen werden kann.

 

Normenkette

MarkenG § 140 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.03.2009)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen I ZR 181/09)

 

Tenor

Die Berufung gegen das am 3.3.2009 verkündete Teilversäumnis- und Schlussurteil der 18. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die Beklagte wegen einer Markenverletzung durch ein von ihrer Rechtsanwältin und ihrem Patentanwalt unterzeichnetes Schreiben vom 12.11.2008 (Bl. 71 ff. d.A.) abmahnen lassen. Nachdem die Beklagte eine Unterwerfungserklärung abgegeben hat, verlangt die Klägerin mit der vorliegenden Klage Erstattung der ihr durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten i.H.v. insgesamt 4.161 EUR nebst Zinsen. Die Beklagte war im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich nicht vertreten.

Mit dem angefochtenen Teilversäumnis- und Schlussurteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird (§ 540 I 1 ZPO), hat das LG der auf die Erstattung der Anwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Dagegen hat es die weitergehende, auf die Erstattung der Patentanwaltskosten gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, die Vorschrift des § 140 III MarkenG sei auf die vorgerichtlichen Abmahnkosten nicht anwendbar; besondere Gründe, die im vorliegenden Fall die Hinzuziehung eines Patentanwalts neben der Beauftragung einer Rechtsanwältin hätten rechtfertigen können, habe die Klägerin nicht dargetan.

Mit der Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihre in erster Instanz vertretene Auffassung, dass die Vorschrift des § 140 III MarkenG auf vorprozessuale Abmahnkosten anwendbar sei.

Die Beklagte war in der Berufungsverhandlung nicht vertreten.

Die Klägerin beantragt, im Wege des Versäumnisurteils das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.161 EUR zzgl. Zinsen in der Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.3.2008 zu zahlen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für den Erlass des beantragten Versäumnisurteils liegen nicht vor, weil auch dann nicht nach dem Berufungsantrag erkannt werden kann, wenn das tatsächliche Vorbringen der Klägerin als zugestanden angenommen wird (§ 539 II ZPO).

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung - neben den vom LG zuerkannten Rechtsanwaltskosten - entstandenen Patentanwaltskosten nicht zu. Zwar kann die Klägerin von der Beklagten sowohl unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 677, 683) als auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (§ 14 VI MarkenG) Ersatz der durch die Markenverletzung verursachten erforderlichen Aufwendungen verlangen, zu denen grundsätzlich auch die Kosten der Abmahnung gehören. Im vorliegenden Fall zählen hierzu jedoch nicht die Kosten des Patentanwalts, weil die Vorschrift des § 140 III MarkenG in diesem Zusammenhang nicht anwendbar ist und die Zuziehung des Patentanwalts - neben der Beauftragung der Rechtsanwältin - nicht als erforderlich angesehen werden kann.

Der erkennende Senat (vgl. GRUR 1991, 72 - Hessenfunk) hat im Anschluss an eine Entscheidung des OLG München (Mitt. 1982, 218, 219) bisher die Auffassung vertreten, dass die den prozessualen Kostenerstattungsanspruch betreffende Regelung des § 140 III MarkenG entsprechend anwendbar sei, soweit ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Erstattung von Patentanwaltskosten für die vorgerichtliche Tätigkeit geltend gemacht wird. Diese Auffassung wird - zum Teil ohne nähere Begründung - von einigen OLG (vgl. OLG Karlsruhe, 26.8.1998 - 6 U 36/98; OLG Köln, 28.4.2006 - 6 U 222/05; OLG Hamburg, 19.7.2007 - 3 U 241/06; OLG Stuttgart, 9.8.2007 - 2 U 23/07) geteilt und ist auch in der Literatur (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Rz. 61 zu § 140; einschränkend: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rz. 53 zu § 140) auf Zustimmung gestoßen. Den Ausführungen des BGH in der Entscheidung "Thermoroll" (Urt. v. 26.2.2009 - I ZR 219/06; GRUR 2009, 888) unter Tz. 24 kann entnommen werden, dass der BGH ebenfalls z...

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