Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwendung eines Gütesiegels "Klimaneutral"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Biomarktkäufer sind gegenüber dem allgemeinen Verkehr kein klar abgrenzbarer Verkehrskreis. Eine trennscharfe Abgrenzung eines Verkehrskreises mit höherem Informations- oder Bildungsgrad ist daher nicht möglich. Maßgeblich ist allein das Verständnis des allgemeinen Durchschnittsverbrauchers.

2. Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben.

3. Der Begriff "klimaneutral" ist für den verständigen Durchschnittsverbraucher schon aus sich heraus verständlich und hat einen bestimmten Inhalt. Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der C02-Emissionen verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann. Der Verbraucher muss dabei wissen, ob sich die Klimaneutralität auf das Unternehmen oder auf die angebotenen Produkte oder beides bezieht.

4. Es ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der C02-BiIanzierung ausgenommen wurden. Ferner müssen Informationen bereitgestellt werden, anhand welcher Kriterien die Prüfung für das Gütesiegel erfolgt ist.

 

Normenkette

UWG §§ 5, 5a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.05.2022; Aktenzeichen 3-12 O 15/22)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufungen der Antragstellerin wird das am 20.5.2022 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird untersagt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern zu unterlassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen

1. mit der Angabe

((Abbildung))

zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlagenkonvolut ASt10;

2. mit der Angabe "X recycelt selbst!" zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage ASt4;

3. mit der Angabe "Die ersten X Recyclingflaschen" zu werben oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage ASt4.

Im Übrigen bleiben die Eilanträge abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen haben die Antragsgegnerin 53 % und die Antragstellerin 47 % zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Hersteller ökologischer Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel. Die Stiftung "Deutscher Nachhaltigkeitspreis" verlieh der Antragsgegnerin den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022.

Die Antragsgegnerin warb in der Zeitschrift "Magazin1", Ausgabe .../2022 mit der nachfolgend eingeblendeten Anzeige für ein Geschirrspülmittel (Anlage Ast4).

((Abbildung))

Die Anzeige beinhaltet u.a. das Logo "Sieger Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2022" sowie die Angaben "X recycelt sich selbst" und "Die erste X Recyclingflasche". Ferner findet sich die Angabe "Weil Recycling-PE aus dem gelben Sack immer Rückstände von synthetischen Duftstoffen, Schwermetallen, Pestiziden etc. enthalten kann." Die Zeitschrift "Magazin1" liegt bundesweit in Verkaufsstätten des Bio-Fachhandels aus.

Die Antragsgegnerin warb auf ihrer Internetseite mit einem "Klimaneutral"-Logo (Anlage Ast10). Klickte man das Logo an, gelangte man zu einer Unterseite, auf der nähere Erläuterungen zur Zertifizierung zu finden waren (Anlage Ast11). Klickte man dort auf den Link "Y Homepage", gelangte man zur Startseite des zertifizierenden Unternehmens "Y".

Die Antragstellerin hält die angegriffenen Werbeangaben für irreführend.

Das Landgericht hat die Eilanträge der Antragstellerin mit Urteil vom 20.5.2022 zurückgewiesen. Die Werbeanzeige nach der Anlage Ast4 richte sich an Biomarkt-Käufer, die gebildeter als der Durchschnittsverbraucher seien. Sie würden bei den angegriffenen Angaben keinen Fehlvorstellungen unterliegen. Im Hinblick auf das Logo "Klimaneutralität" sei davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher die Logik der CO2-Kompensation durch Zertifikate verstehe. Die durch zwei Mausklicks erreichbaren näheren Aufklärungen seien ausreichend.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts aufzuheben und im Wege der einstweiligen Verfügung wie folgt zu erkennen:

Der Antragsgegnerin wird bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, zukünftig im Rahmen geschäftlicher Handlungen

a) mit der Angabe

((Abbildung))

zu werben und/oder weben zu lassen,

a. ohne anzugeben, welche Emissionsgruppen und/oder einzelne Emissionen von der CO2-Bilanzie...

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