Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisgrad für Tatsachen, die Wiedereinsetzung begründen sollen

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.05.2016; Aktenzeichen 2-20 O 66/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.05.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 2-20 O 66/13, wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Restwerklohnansprüche der Klägerin für die schlüsselfertige Erstellung eines Geschäftsgebäudes zum Betrieb eines X-Marktes in Stadt1.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 164.899,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2012 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, die durch die Klägerin nach Vertragsschluss übergebene Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. ... der Y Versicherung AG vom 16.04.2012 über 160.650,00 EUR an die Klägerin herauszugeben,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.127,80 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 74.750,- EUR nebst Zinsen, zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde sowie zur Zahlung weiterer 1.880,30 EUR verurteilt.

Die Beklagte hat gegen das am 02.06.2016 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main am 04.07.2016 Berufung eingelegt. Auf Antrag hat der Senat die Berufungsbegründungsfrist am 25.07.2016 bis zum 02.09.2016 verlängert. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.09.2016 hat der Senat der Beklagten mitgeteilt, dass innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO keine Berufungsbegründung eingegangen ist und eine Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt. Der Beklagtenvertreter hat den Erhalt einer beglaubigten Abschrift dieser Verfügung mit Empfangsbekenntnis vom 30.09.2016 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 12.10.2016, eingegangen bei Gericht am 13.10.2016, behauptet die Beklagte, dass ihr Prozessbevollmächtigter, Herr Rechtsanwalt A, die dem Schriftsatz nochmals angefügte Berufungsbegründung am 29.08.2016 mit beglaubigter und einfacher Abschrift fertiggestellt habe. Die Berufungsbegründung sei dann von Herrn Rechtsanwalt B am 30.08.2016 vor einem von ihm wahrzunehmenden Hauptverhandlungstermin in das Postfach des Oberlandesgerichts bei der gemeinsamen Postannahmestelle im Gebäude B des Landgerichts Frankfurt am Main eingeworfen worden. Hierdurch sei die Frist zur Begründung der Berufung gewahrt.

Hilfsweise sei der Beklagten eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil vom 25.05.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Ausführungen der Beklagten keine Widereinsetzung in den vorherigen Stand rechtfertigen.

Der Senat hat eine Anfrage an die Geschäftsleitung des Oberlandesgerichtes Frankfurt gestellt, ob Kenntnis über den Verbleib der Berufungsbegründung vom 29.08.2016 besteht. Wegen des Ergebnisses dieser Anfrage wird auf Blatt 474 der Akte verwiesen. Weiterhin hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A und B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf das Sitzungsprotokoll vom 09.01.2017 verwiesen.

II. 1. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründung nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO bei Gericht eingegangen ist. Gründe für eine Wiedereinsetzung der Beklagten in den vorherigen Stand, § 233 ZPO, liegen nicht vor.

a. Die Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist, § 520 Abs. 2 ZPO, versäumt.

Zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist ist es ausreichend, dass die Berufungsbegründung in den Gewahrsam der zuständigen Stelle gelangt ist. Soweit sich die Beklagte hierauf beruft, trägt sie die Beweislast für diese Behauptung. Hierbei ist die Beklagte zwar nicht an den Strengbeweis gebunden, sondern es gilt der Freibeweis. Dies setzt jedoch die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht herab, so dass der Vollbeweis erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2009, IV ZB 25/08, zitiert nach juris Rdnr. 14; Beschluss vom 07.10.1992, XII ZB 100/92, zitiert nach juris Rdnr. 6; Heßler in Zöller, 31. Auflage 2016, § 519 ZPO Rdnr. 20). Hierfür ist eine bloße Wahrscheinlichkeit für das behauptete Geschehen nicht ausreichend. Erforderlich ist in ...

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