Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung: Pflichten beim Transport hängender Lasten mit Gabelstapler

 

Normenkette

SGB 7 § 110; SGB 7 § 111

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 15.04.2013; Aktenzeichen 9 O 1091/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin vom 24.4.2013 wird das Urteil des LG Hanau vom 15.4.2013, Geschäfts-Nr. 9 O 1091/12, abgeändert.

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, EUR 699.745,53 zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.11.2012 an die Klägerin zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin über Ziff. I hinaus sämtliche weitere gem. §§ 110 f. SGB VII erstattungsfähige Aufwendungen zu ersetzen, die von ihr aufgrund des Unfalls noch zu zahlen sein werden, der sich am ... 06.2009 auf dem Gelände der A GmbH in ... ereignete und bei dem ihr Versicherter V, geb. am ... 1964, schwer verletzt wurde.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf EUR 999.745,53.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um den Rückgriff der Klägerin als gesetzliche Unfallversicherung gegenüber den Beklagten als Schädigern eines bei der Klägerin versicherten Arbeitnehmers. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 130-131 der Akte) verwiesen und zur Ergänzung Folgendes ausgeführt:

Die Klägerin ist gesetzliche Unfallversicherung der Fa. B GmbH, bei der der Zeuge V tätig war und in wechselnden Unternehmen eingesetzt wurde. Die Beklagte zu 1) führt Pulverbeschichtungen an Metallen durch. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Am ... 06.2009 war der Zeuge V als entliehener Arbeitnehmer bei der Beklagten zu 1) eingesetzt, wobei er mit Schleif- und Transportarbeiten beauftragt war. Der Beklagte zu 2) wollte mit einem Gabelstapler einen Metallrahmen (2x4 m, ca. 200 - 260 kg schwer) transportieren. Der Zeuge V sollte auf Geheiß des Beklagten zu 2) dabei zur Hand gehen. Der Rahmen lag unbefestigt auf der Gabel des Gabelstaplers auf. Das Metallteil fiel auf den Zeugen V, wodurch dieser eingeklemmt wurde und Frakturen der Halswirbelsäule erlitt. Als Folge der Verletzung besteht bei dem Zeugen V eine inkomplette Tetraparese (Lähmung aller vier Extremitäten) und eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 %. Der Klägerin sind durch den Unfall bislang Aufwendungen i.H.v. EUR 699.745,53 entstanden.

Die Bezirksverwaltung ... der Klägerin gewährte dem Geschädigten V mit Bescheid vom 14.10.2010 (Anlage K 8) Pflegegeld (gezahlt bis 5.11.2010 wegen ab dann erfolgter Übernahme der Pflege durch ambulanten Pflegedienst), mit Bescheid vom 11.11.2010 (Anlage K 9) monatliche Entschädigungen für Kleider- und Wäscheverschleiß und mit Bescheid vom 11.1.2011 (Anlage K 7) eine Rente auf unbestimmte Zeit.

Das AG ... verhängte mit Strafbefehl vom 25.11.2010 wegen dieses Vorfalls gegen den Beklagten zu 2) wegen fahrlässiger Körperverletzung eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à EUR 50 (Az:.../09).

Die Klägerin hat behauptet, im Unternehmen der Beklagten zu 1) sei es üblich gewesen, größere Stahlteile entgegen den Unfallverhütungsvorschriften ohne Befestigung auf dem Gabelstapler zu transportieren. Der Beklagte zu 2) habe den Zeugen V angewiesen, das auf dem Gabelstapler unbefestigt liegende Teil festzuhalten, obwohl der Zeuge V erklärt habe, das sei viel zu schwer. Der Zeuge V habe der Anweisung Folge geleistet und den Metallrahmen festgehalten. Plötzlich habe der Beklagte zu 2) die Gabel, auf der der Rahmen lose auflag, mit einem starken Ruck nach unten abgesenkt. Daraufhin sei das unbefestigte Stahlteil umgekippt, von dem Gabelstapler auf einen Transportwagen gefallen und habe den Zeugen V eingeklemmt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten hafteten ihr gegenüber gem. §§ 110 f. SGB VII für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, weil sie den Versicherungsfall durch einen Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften mindestens grob fahrlässig herbeigeführt hätten. Der Beklagte zu 2) habe grob fahrlässig gehandelt, weil er den Stahlrahmen für den Transport auf dem Gabelstapler nicht gesichert habe. Es liege ein gravierendes Organisationsverschulden vor, weil der Beklagte zu 2) den Zeugen V zu einer Tätigkeit herangezogen habe, für die dieser keine Qualifikation besessen habe. Zudem seien für die häufig notwendigen Transporte schwerer Metallgegenstände keine geeigneten Arbeits- und Hilfsmittel zur Verfügung gestellt worden. Der Beklagte zu 2) habe auch subjektiv besonders vorwerfbar gehandelt, weil er...

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