Entscheidungsstichwort (Thema)

Begrenztes Realsplitting: Maßgeblicher Betrag für die Hinzurechnung zum zu versteuernden Einkommen des Unterhaltsempfängers; Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen bei der eigenen Steuererklärung; Umfang der Einschränkung der steuerlichen Gestaltungsfreiheit; Verwirkung des Nachteilsausgleichs bei schädigendem Verhalten; Vertrauensschutz beim Pflichtigen wegen Zeitablaufs

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Umfang der Einkommenszurechnung beim Unterhaltsempfänger nach § 22 Nr. 1a EStG ist unabhängig vom Umfang des tatsächlich gewährten Unterhalts die Höhe des Sonderausgabenabzugs beim Unterhaltsgeber nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG maßgeblich. Die Unterhaltsempfängerin haftet dem Unterhaltsgeber nicht für Sorgfaltspflichtverletzungen im Rahmen ihrer eigenen Steuererklärung. Sie ist bei Durchführung des begrenzten Realsplittings auch nicht verpflichtet, ihre steuerliche Gestaltungsfreiheit im Interesse desjenigen auszuüben, der die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting verlangt. Dieser ist in seinem Vertrauen auf einen Bestimmten Nettosteuervorteil nicht geschützt. Ein mutwilliges Hinwegsetzen über schwerwiegende Vermögensinteressen kann jedoch im Rahmen des Nachteilsausgleichs Verwirkungsfolgen auslösen. Der Zeitablauf allein begründet kein schützenswertes Vertrauen darauf, ein Nachteilsausgleich werde nicht geltend gemacht.

 

Normenkette

BGB § 242; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1a

 

Verfahrensgang

AG Bad Schwalbach (Urteil vom 21.07.2008)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG - Familiengericht - Bad Schwalbach vom 21.7.2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.545,09 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Parteien sind seit 2002 geschiedene Eheleute. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Steuererklärungen für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 jährlich 13.805 EUR im Wege des begrenzten Realsplittings als Sonderabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht. Dem lag zugrunde, dass er auf Grund einer im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung eingegangenen Verpflichtung an die Klägerin nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 438 EUR zahlte und weiteren Unterhalt in Form der Wohnungsüberlassung gewährte.

Mit der Klage macht die Klägerin den Ausgleich der Nachteile geltend, die ihr aus der Durchführung des begrenzten Realsplittings für die Kalenderjahre 2002 bis 2005 entstanden sind. Diese Nachteile beziffert sie unter Vorlage der Steuerbescheide 2002 bis 2005 für das Kalenderjahr 2002 auf 2.528,14 EUR, für das Kalenderjahr 2003 auf 3.371,79 EUR, für das Kalenderjahr 2004 auf 3.875,92 EUR und für das Kalenderjahr 2005 auf 3.769,24 EUR.

Der Beklagte hat in erster Instanz geltend u.a. gemacht, der tatsächlich gewährte Unterhalt sei geringer gewesen als der im Rahmen der steuerlichen Veranlagung der Klägerin als Einkünfte aus Unterhalt zugerechnete Betrag. Ferner habe die Klägerin im Rahmen ihrer steuerlichen Veranlagung die ihr zur Verfügung stehenden Steuersparmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft, insb. habe sie die Möglichkeit ungenutzt gelassen, noch für zwei Jahre von der Abschreibung nach § 10e EStG Gebrauch zu machen. Schließlich hat der Beklagte noch die Aufrechnung hinsichtlich eines für die Kalenderjahre 2000 und 2001 der Klägerin ausgekehrten Erstattungsbetrages erklärt. Das AG hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß zur Zahlung von 13.545,09 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.5.2007 verurteilt. Der steuerliche Schaden ergebe sich aus der von der Klägerin vorgelegten Berechnung ihres Steuerberaters. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, die ihr noch verbleibende Möglichkeit der weiteren Abschreibung nach § 10e EStG gerade in dem streitgegenständlichen Zeitraum zu nutzen. Eine Aufrechnung gegen den Nachteilsausgleichsanspruch sei nicht eröffnet.

Der Beklagte beanstandet mit seiner Berufung, dass das AG hinsichtlich der Höhe des steuerlichen Nachteils trotz des Bestreitens des Beklagten kein Sachverständigengutachten eingeholt und es auch unterlassen habe, hinsichtlich des streitigen Vortrags zur tatsächlichen Höhe des gewährten Unterhalts Beweis zu erheben. Unterhalt sei nur i.H.v. 11.040 EUR jährlich gewährt worden und daher auch nur in dieser Höhe der Klägerin als Einkommen zuzurechnen gewesen. Auch sei der Frage nachzugehen, in welchem Umfang sich der steuerliche Nachteil reduziert hätte bei Inanspruchnahme der der Beklagten noch für eine Übergangszeit eröffnet gewesenen Möglichkeit der Abschreibung nach § 10e EStG. Der Beklagte bestreitet, dass die Klägerin die Möglichkeiten zur Steuerersparnis voll genutzt habe und dass die Steuerbescheide der Klägerin auf zutreffenden Steuererklärungen beruhten. Im Übrigen erachtet er den Nachteilsausgleichsanspruch im Hinblick auf den Zeitablauf bis zu seiner Geltendmachung als verwirkt und erklärt zudem weiterhin die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung der v...

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