Entscheidungsstichwort (Thema)

Anmeldebefugnis des Hauptbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Der Hauptbevollmächtigte für die inländische Niederlassung eines Drittstaatenversicherungsunternehmens nach § 68 Abs. 2 VAG ist zu Handelsregisteranmeldungen betreffend die auf die Niederlassung bezogenen Prokuren befugt.

 

Normenkette

VAG § 68 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.03.2022)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

 

Gründe

Der angefochtene Beschluss des Registergerichts vom 09.03.2022 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 27.04.2022 wird aufgehoben, und das Registergericht wird angewiesen, die Anmeldung vom 26.01.2022, mit dem der Hauptbevollmächtigte das Erlöschen zweier Prokuren und die Erteilung zweier auf die inländische Niederlassung beschränkter Prokuren zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet hat, nicht aus den von ihm genannten Gründen zurückzuweisen.

Mit ihrer statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerde vom 06.04.2022 (§§ 382 Abs. 3, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 FamFG) wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Registergerichts vom 09.03.2022, mit dem dieses die Anmeldung vom 26.01.2022 zurückgewiesen hat. Dabei hat die Beschwerdeführerin als nach §§ 68 Abs. 1 S. 1, 67 Abs. 1 VAG inländische Niederlassung des Versicherungsunternehmens - also eines Drittstaatenunternehmens i. S. v. § 7 Nr. 6 und 22 VAG - nach allgemeiner Auffassung zwar keine eigene Rechtspersönlichkeit, ist also keine juristische Person; sie ist jedoch aufgrund der für sie bestehenden gesetzlichen Sonderregelungen (vgl. hierzu für Versicherungsgeschäfte über Niederlassungen: VAG, Teil 2 Vorschriften für die Erstversicherung und die Rückversicherung, Kapitel 1 Geschäftstätigkeit, Abschnitt 7 Grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit) so verselbständigt, dass sie im inländischen Rechtsverkehr wie eine selbständige Rechtspersönlichkeit, also wie ein juristische Person zu behandeln ist (vgl. etwa Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 07.11.2007, Az. IV ZR 116/04 und vom 06.04.1979, Az. 1 ARZ 386/78 m. w. N. zu weiteren entsprechenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs; Grote in Prölss/Dreher, Versicherungsaufsichtsgesetz, 13. Aufl. 2018, § 68, Rn. 15 m. w. N.; Castellvi in Brand/Castellvi, Versicherungsaufsichtsgesetz, 2. Aufl. 2022, § 68, Rn. 6 m. w. N.; Müller in Müller/Goldberg, Versicherungsaufsichtsgesetz, 1980, zur Vorgängervorschrift § 106, Rn. 5 m. w. N.; Schöps in Bähr, Handbuch des Versicherungsaufsichtsrechts, 2011, § 7, Rn. 42 m. w. N.); mithin ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG durch die Anmeldungszurückweisung in eigenen Rechten verletzt ist.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Mit der zurückgewiesenen Anmeldung hat der Hauptbevollmächtigte der Beschwerdeführerin das Erlöschen und die Erteilung von jeweils zwei Prokuren bezogen auf die inländische Niederlassung des Versicherungsunternehmens zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Die Rechtspflegerin des Registergerichts hat die Zurückweisung der Anmeldung in ihrem Beschluss vom 09.03.2022 damit begründet, dass der Hauptbevollmächtigte zur organschaftlichen Vertretung des Versicherungsunternehmens nicht berechtigt sei. In ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 27.04.2022 hat sie an dieser Ansicht festgehalten und präzisierend darauf hingewiesen, dass der Hauptbevollmächtigte zwar eine umfassende Vertretungsmacht für die inländische Zweigniederlassung habe, diese umfassende Vertretungsbefugnis jedoch nur "im zivilprozessualen Bereich gerichtlich und außergerichtlich" greife; sie sei rechtsgeschäftlicher Natur. Der Hauptbevollmächtigte sei kein organschaftlicher Vertreter im Sinne des HGB oder AktG. Er sei in das allgemeine System der zivilrechtlichen Vertretung einzuordnen. Auch habe der Hauptbevollmächtigte keine Eignungsversicherung nach § 76 AktG abzugeben, denn nach § 68 VAG fänden nur die §§ 13d-f HGB Anwendung. § 13e Abs. 3 HGB verweise auf § 76 AktG, so dass sich die Eignungsversicherung insoweit immer nur auf die gesetzlichen Vertreter beziehe, auch wenn der Hauptbevollmächtigte - der aufgrund eigener Anmeldung am 26.03.2015 im Handelsregister der Beschwerdeführerin als Hauptbevollmächtigter "gemäß 106 Abs. 3 VAG" (jetzt: § 68 Abs. 2 VAG) eingetragen worden ist - bei seiner damaligen Anmeldung eine Eignungsversicherung nach § 76 AktG abgegeben habe. Auch sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu berücksichtigen, wonach ein vertretungsberechtigtes Organ eine Generalvollmacht nicht erteilen dürfe, weil es damit seine unübertragbare organschaftliche Willensbildung und die damit verbundene Verantwortung delegiere. Hinzu komme, dass dem Hauptbevollmächtigten, wolle man der Auffassung der Beschwerdeführerin folgen, im Hinblick auf die Handelsregisteranmeldungen mehr Befugnisse zugestanden würden, als den organschaftlichen Vertretern, die jeweils nur auf Basis des Vieraugenprinzips Handelsregisteranmeldungen durch zwei organsch...

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