Leitsatz (amtlich)

§ 802 ZPO steht der Wirksamkeit der Derogation der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für den einstweiligen Rechtsschutz nicht entgegen.

 

Normenkette

ZPO §§ 38, 40, 802, 919, 937, 942

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 30 C 1099/08-71)

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das AG Frankfurt/M. die Anträge auf Erlass eines Arrestes sowie auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

1. Die Anträge der Antragstellerin zu 2) auf Erlass eines dinglichen Arrestes sowie einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner zu 1) (Anträge Nr. 2 und 7) sind unzulässig. Denn für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antragstellerin zu 2) gegen den Antragsgegner zu 1) fehlt es an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Als Arrest- bzw. Verfügungsansprüche macht die Antragstellerin zu 2) gegen den Antragsgegner zu 1) vertragliche Schadensersatzansprüche aus dem Erwerb von Geschäftsanteilen der Firma A. Limited u.a. von dem Antragsgegner zu 1) in Verbindung mit der Garantieurkunde vom 22.9.2005 sowie hiermit konkurrierende deliktische Ansprüche geltend. Für die Geltendmachung derartiger Ansprüche haben die Parteien sowohl in dem Kaufvertrag als auch in der Garantievereinbarung die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte Englands auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vereinbart. Nach dem Kaufvertrag werden die Rechtsbeziehungen der Parteien im Zusammenhang mit diesem Vertrag durch englisches Recht geregelt (Nr. 28.1). Zur Zuständigkeit der Gerichte ist in Nr. 28.2 gemäß der Übersetzung in die deutsche Sprache vereinbart: "Falls dieser Vertrag keine ausdrücklichen anderweitigen Bestimmungen enthält ist jede der Parteien damit einverstanden, dass die Gerichte Englands ausschließliche Zuständigkeit für die Beilegung aller Streitigkeiten (einschließlich Aufrechnungsforderungen und Gegenforderungen) haben, die sich im Zusammenhang mit der Begründung, Gültigkeit, Wirksamkeit, Auslegung oder Erfüllung dieses Vertrags oder der durch diesen entstandenen Rechtsbeziehungen ergeben mögen oder ansonsten im Zusammenhang mit diesem Vertrag auftreten, und unterwerfen sich zu diesen Zwecken unwiderruflich der Zuständigkeit der englischen Gerichte". Nach dem umfassenden Wortlaut dieser Bestimmung wurde die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte Englands nicht nur für Hauptsacheverfahren, sondern auch für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vereinbart. Denn auch die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betreffen "die Beilegung aller Streitigkeiten" im Zusammenhang mit dem Vertrag oder den durch diesen entstandenen Rechtsbeziehungen. Die entsprechende Vereinbarung in Nr. 13 des Garantievertrages vom 22.9.2005 ist zwar sprachlich kürzer gefasst, bleibt inhaltlich aber nicht hinter der Gerichtsstandsvereinbarung im Kaufvertrag vom 22.9.2005 zurück. Die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte Englands erstreckt sich auch auf die konkurrierenden Deliktsansprüche, die die Antragstellerin zu 2) aus den abgegebenen Vertragserklärungen des Antragsgegners zu 1) ableitet (vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl., Rz. 459; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rz. 1719).

Die mit der Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte Englands verbundene Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte ist wirksam. Die Wirksamkeit ergibt sich hinsichtlich der Vereinbarung der Hauptsachezuständigkeit aus den hier unzweifelhaft gegebenen Voraussetzungen des Art. 23 EuGVO. Die Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte ist aber auch darüber hinaus hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes wirksam.

Ausschließlich das deutsche Prozessrecht bestimmt, wann deutsche Gerichte eine internationale Prorogation anzunehmen haben. Das gleiche gilt für die Frage der Derogation der an sich gegeben internationalen Zuständigkeit Deutschlands (Geimer, a.a.O., Rz. 1675). Nach dem deutschen Prozessrecht ist die internationale Zuständigkeit in ihren Voraussetzungen mit der örtlichen Zuständigkeit derart verknüpft, dass sie durch diese indiziert wird: Ist ein deutsches Gericht örtlich zuständig, so folgt daraus in der Regel zugleich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. In diesem Sinne sind die Vorschriften über die örtlichen Gerichtsstände der Zivilprozessordnung grundsätzlich "doppelfunktional" (BGH NJW 1997, 2245 m. zahlreichen Nachweisen). Ob Prorogation und Derogation der Zuständigkeit deutscher Gerichte zulässig ist, richtet sich grundsätzlich nach §§ 38, 40 ZPO (BGH MDR 1985, 911; NJW 1986, 1438). Da die im 8. Buch der Zivilprozessordnung angeordneten Gerichtsstände gem. § 802 ZPO ausschließliche sind, wird von nicht wenigen Stimmen in der Literatur die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte jedenfalls für die Zuständigkeit nach § 919 Alt. 2 ZPO als derogationsfest angesehen (Drescher in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 919 Rz. 2, 3; Mü...

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