Leitsatz (amtlich)

1. Inhaltliche Protokollberichtigungen, also Änderungen der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls - § 165 S. 1 ZPO - können nur dem Gericht zustehen können, das die mündliche Verhandlung geführt hat, so dass einem Beschwerdegericht von vornherein eine inhaltliche Änderung der Sitzungsniederschrift eines vorgeordneten Instanzgerichts versagt ist.

2. Der Protokollinhalt "Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert." impliziert, dass sämtliche vom Prozessgericht für entscheidungserheblich gehaltenen Umstände erörtert worden sind.

 

Normenkette

ZPO §§ 160, 164-165

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Aktenzeichen 7 O 2171/04)

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus Anwaltshaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Sie wirft ihm anwaltliche Pflichtverletzungen in dem Vorprozess 7 O 2078/00 vor dem LG Kassel vor, in welchem der Beklagte sie im Berufungsrechtszug (25 U 4/01 OLG Frankfurt) als Anwalt vertreten hat. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die 7. Zivilkammer des LG Kassel am 20.2.2007 durch die Richter Vorsitzender Richter am LG Dr. A als Vorsitzenden, Vorsitzender Richter am LG B und Richter Dr. C als beisitzende Richter unter Mitwirkung der Protokollführerin D als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift vom 20.2.2007 wird Bezug genommen (Bl. 150 - 152 d.A.). Am Schluss der Sitzung ist ein Urteil verkündet worden, durch welches die Klage abgewiesen und der Widerklage des Beklagten auf Zahlung anwaltlichen Honorars stattgegeben worden ist.

Die Ausfertigung des Protokolls ist laut Vermerk der Serviceeinheit am 23.2.2007 an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Rechtsanwalt Dr. RA1 aus O1, abgesendet worden.

Das Urteil vom 20.2.2007 ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9.3.2007 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 14.3.2007 hat sich Rechtsanwalt Dr. RA2 aus O2 beim LG Kassel gemeldet und namens und im Auftrag der Klägerin die Berichtigung des Protokolls vom 20.2.2007 beantragt. Er hat gerügt,

1. laut Protokoll sei die Sach- und Rechtslage erörtert worden; dies sei aber unrichtig, denn die Widerklage des Beklagten sei mit keinem Wort Gegenstand der Erörterung gewesen.

2. In der mündlichen Verhandlung habe der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausführlich ergänzend und vertiefend zum bisherigen Vorbringen - auch unter Einschluss des Vortrags im Berufungsrechtszug im Vorprozess - vorgetragen, insbesondere auch zu einem zentralen Punkt. Dieses - nach seiner Auffassung ersichtlich entscheidungserhebliche - Vorbringen sei zur Überraschung der Klägerin ungeachtet der sehr ausführlichen Darlegungen ihres damaligen Prozessbevollmächtigten vor der 7. Zivilkammer des LG Kassel nicht protokolliert.

3. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung habe der Vorsitzende Richter erklärt, der Akteninhalt sei bekannt. Dies müsse ins Protokoll aufgenommen werden.

Zu den Einzelheiten des Protokollberichtigungsantrags wird auf den Schriftsatz von Rechtsanwalt Dr. RA2 vom 14.3.2007 (Bl. 169,170 d.A.) Bezug genommen.

Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage hat Rechtsanwalt Dr. RA2 auch Berichtigungen des Urteils vom 20.2.2007 beantragt.

Wegen des Urteilsberichtigungverfahrens hat der amtierende Vorsitzende der 7. Zivilkammer des LG Kassel, Vorsitzender Richter am LG B, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.5.2007 anberaumt und darauf hingewiesen, dass aus der Sitzungsgruppe der 7. Zivilkammer des LG Kassel in der mündlichen Verhandlung am 20.2.2007 der damals amtierende Vorsitzende Richter Dr. A durch Eintritt in den Ruhestand und der weitere beisitzende Richter Dr. C durch Versetzung an ein anderes Gerichts aus der Zivilkammer ausgeschieden seien, so dass von der damals verhandelnden Kammerbesetzung jetzt nur noch Vorsitzender Richter am LG B, der nicht Berichterstatter gewesen sei, am LG Kassel tätig sei. Weder das Urteil noch das Protokoll enthielten der Berichtigung unterliegende Fehler.

Hierauf hat Rechtsanwalt Dr. RA2 mit Schriftsatz vom 2.4.2004 wegen einer Urlaubsreise um Vertagung des Termins und um inhaltliche Klarstellungen zur Auslegung des Protokollinhalts gebeten und im Übrigen um Gewährung einer Frist zur ergänzenden Stellungnahme bis zum 25.4.2007. Das Protokoll sei jedenfalls unvollständig - Beweis: Rechtsanwalt Dr. RA1, Rechtsanwalt Dr. RA2 - wie er auch anwaltlich versichere (Bl. 180, 181 d.A.).

Der amtierende Vorsitzende hat daraufhin am 11.4.2007 den Termin im Urteilsberichtigungsverfahren verlegt und durch Beschluss vom selben Tage den Protokollberichtigungsantrag der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, das Protokoll sei nicht im Sinne der Berichtigungsanträge unrichtig, weil der Inhalt der Erörterung der Sach- und Rechtslage in das Protokoll nicht aufzunehmen sei. Deshalb seien weder die Frage einer Erörterung der Widerklage noch vertiefender Vortrag zur Klage, der ohnehin nicht über den bereits schriftsätzlich gehaltenen Vortrag hinausgegangen sei, protokollierungsbedürftig gewesen. Auch die Äußerung de...

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