Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Neue Verfügungen von Todes wegen, die der durch ein gemeinschaftliches Testament in seiner Testierfreiheit beschränkte Ehegatte ohne wirksamen Widerruf getroffen hat, sind voll wirksam, wenn sie den anderen Ehegatten besser stellen als bisher, nur die wechselbezügliche Anordnung wiederholen oder wenn die vorrangige wechselbezügliche Verfügung durch den ersatzlosen Wegfall des Bedachten gegenstanslos wird.

2. Die Einsetzung der oder des Geliebten durch einen verheirateten Erblasser ist nur dann sittenwidrig, wenn sie ausschließlich die geschlechtliche Hingabe belohnen oder den Empfänger zur Fortsetzung der sexuellen Beziehung bestimmen will.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 2289

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Beschluss vom 14.01.1994; Aktenzeichen 4 T 623/93)

AG Rüdesheim (Aktenzeichen VI A 8/92)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 1.000.000,– DM.

 

Gründe

Am 26.10.1992 verstarb im Alter von 54 Jahren der frühere Architekt … (Erblasser). Er war verwitwet und kinderlos. Seine am 5.3.1992 im Alter von 57 Jahren vorverstorbene Ehefrau, mit der er im Jahre 1962 die Ehe geschlossen hatte, hat ebenfalls keine Abkömmlinge. Die Eheleute, die beide bei ihrem Tod aidskrank waren, errichteten am 24.4.1977 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, durch das sie sich – von Miteigentumsanteilen der Ehefrau an einigen in Weinbergen gelegenen Grundstücken abgesehen – gegenseitig zu Erben einsetzten, ohne weitere letztwillige Anordnungen zu treffen. Der Erblasser war schon damals Eigentümer des Wohnhauses … Seiner Ehefrau gehörten in derselben Gemeinde die drei Grundstücke … von denen eines … mit einem Wohnhaus bebaut ist, in dem die Eheleute lebten.

Der Erblasser knüpfte in der Folgezeit – den genauen Zeitpunkt haben die Vorinstanzen nicht festgestellt – gleichgeschlechtliche Beziehungen zu dem am 28.3.1959 geborenen Beteiligten zu 3) an, die auch der Ehefrau des Erblassers bekannt wurden. Sie verbrachten gemeinsam Urlaube. Der Beteiligte zu 3) wohnte in dem Haus des Erblassers, während der Erblasser selbst mit seiner Ehefrau in deren Wohnhaus lebte.

Spätestens gegen Ende des Jahres 1991 wußten beide Eheleute, daß sie beide bald an Aids sterben würden, wobei wegen der unterschiedlichen Krankheitsbilder das Vorversterben der Ehefrau abzusehen war. Diese wandte sich Anfang Dezember 1991 an die ihr bekannte Rechtsanwältin und Notarin … in Wiesbaden und bat sie um Auskunft darüber, wie erreicht werden könne, daß nach ihrem Tod ihre drei Grundstücke und das Guthaben auf ihrem Festgeldkonto an ihre Schwester – die Beteiligte zu 2) – fallen. Die vom Amtsgericht als Zeugin gehörte Rechtsanwältin … schlug ihr vor, zusammen mit dem Erblasser zu ihr zu kommen, um das gemeinschaftliche Testament vom 24.4.1977 zu ändern. Dazu kam es jedoch nicht. Die Ehefrau des Erblassers teilte nämlich kurze Zeit später der Zeugin fernmündlich und schriftlich mit, sie habe mit dem Erblasser gesprochen, der ihr versprochen habe, er werde alles so regeln, wie sie es haben wolle. Tatsächlich errichtete der Erblasser am 25.2.1992 ein privatschriftliches Testament, in dem er die Beteiligten zu 2) und 3) als Miterben einsetzte mit der Teilungsanordnung, daß die Beteiligte zu 2) den von seiner Ehefrau zu erwartenden Nachlaß und der Beteiligte zu 3) das vom Erblasser selbst stammende Vermögen erhalten sollen. Seine Verwandten schloß er in dem Testament von der Erbfolge ausdrücklich aus.

Am 5.3.1992 verstarb die Ehefrau des Erblassers. Sie ist laut Erbschein des Amtsgerichts Rüdesheim vom 15.6.1992 auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 24.4.1977 vom Erblasser allein beerbt worden. Dieser starb am 26.10.1992.

Gesetzliche Erben erster und zweiter Ordnung hat er nicht. Zu den in Betracht kommenden gesetzlichen Erben gehört der Beteiligte zu 1). Er ist ein Vetter des Erblassers.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben unter dem 28.10.1992 einen Erbschein beantragt, demzufolge der Erblasser auf Grund des Testaments vom 25.2.1992 von ihnen beiden als Miterben zu je 1/2 beerbt worden sei. Der Beteiligte zu 1) ist dem Erbscheinsantrag insoweit entgegengetreten, als der Beteiligte zu 3) eine Miterbenstellung für sich beansprucht. Er hält das Testament vom 25.2.1992 wegen Sittenwidrigkeit und auch deshalb für nichtig, weil es im Zeitpunkt seiner Errichtung mit den früheren wechselbezüglichen Verfügungen der Eheleute im gemeinschaftlichen Testament vom 24.4.1977 in Widerspruch gestanden habe. Zur Sittenwidrigkeit des Testaments im Umfang der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3) hat er vorgetragen, diese Erbeinsetzung beruhe allein auf den erotischen Beziehungen des Erblassers zu dem Beteiligten zu 3). Mit der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 3) habe der Erblasser auss...

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