Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungszuständigkeit bei Ablehnungsgesuchen

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 17.02.2004; Aktenzeichen 1 O 5/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Limburg vom 17.2.2004 und der Nichtabhilfebeschluss vom 19.3.2004 über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs der Beklagten gegen den Richter am LG X. aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das LG Limburg zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Kläger wenden sich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung durch die Beklagte aufgrund einer notariellen Urkunde, welche einen Hausverkauf durch die Beklagte zum Gegenstand hat. Sie machen geltend, das verkaufte Hausgrundstück weise einen versteckten Mangel auf, welchen die Beklagte arglistig verschwiegen habe (Einzelheiten Bl. 1 ff. d.A.). Einem zugleich mit der Klageschrift gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gab der Einzelrichter, Richter am LG X. durch Beschluss vom 23.1.2004 gegen Sicherheitsleistung statt; wegen der Formulierung des Beschlusses wird auf Bl. 43 d.A. verwiesen. Die Beklagte hat den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da sie dem zweiten Satz des Beschlusses entnehmen will, dass der Richter bereits in diesem Stadium des Rechtsstreits von falschen und verharmlosenden Äußerungen der Beklagten ausgehe (Einzelheiten Bl. 46 f. d.A.).

Das LG hat das Befangenheitsgesuch mit Beschluss des Einzelrichters vom 17.2.2004 zurückgewiesen (Bl. 70 d.A.). Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde vom 17.3.2004 hat das LG durch Beschluss des Einzelrichters nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LG zur anderweitigen Entscheidung; denn das Verfahren leidet an einem erheblichen Mangel, der einer endgültigen Entscheidung des Beschwerdegerichts entgegensteht.

Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gem. § 568 Abs. 1 ZPO der Einzelrichter berufen, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde.

Allerdings leidet die angefochtene Entscheidung insofern unter einem Verfahrensmangel, als über das Befangenheitsgesuch der Einzelrichter des LG entschieden hat. Richtigerweise hätte über das Befangenheitsgesuch die Kammer in voller Besetzung entscheiden müssen. Denn unter "dem Gericht" i.S.d. § 45 Abs. 1 ZPO ist der durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper des Abgelehnten zu verstehen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 45 Rz. 2). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der abgelehnte Richter in der Hauptsache allein zur Entscheidung berufen ist (Musielak/Smid, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 45 Rz. 2).

Die Sache ist an das LG zu einer anderweitigen Entscheidung durch die Kammer in voller Besetzung zurückzuverweisen, da sich der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert sieht, obwohl er die Beschwerde in der Sache für entscheidungsreif ansieht. Zwar hat nach der ZPO-Novelle auch bei einem wesentlichen Verfahrensfehler das Beschwerdegericht grundsätzlich selbst zu entscheiden (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 45 Rz. 2). Einer eigenen Sachentscheidung steht aber hier entgegen, dass das Tätigwerden des nicht zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch berufenen Einzelrichters des LG zugleich Auswirkungen auf die Besetzung des Senats bei seiner Entscheidung im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 45 Rz. 2; OLG Celle v. 27.9.2002 - 6 W 118/02, OLGReport 2003, 8 = MDR 2003, 523). Wäre der angefochtene Beschluss über das Befangenheitsgesuch nämlich - richtigerweise - durch die Kammer erlassen worden, wäre im Beschwerdeverfahren zur Entscheidung in der Sache der Senat in voller Besetzung berufen, während ggü. dem beim LG fehlsam tätig gewordenen Einzelrichter gem. § 568 Abs. 1 ZPO der originäre Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden hat. Allerdings vermag auch nicht - wenn man unterstellt, dass bei zutreffender Sachbehandlung die Kammer entschieden hätte - entgegen § 568 Abs. 1 ZPO ohne weiteres der Senat in voller Besetzung an die Stelle des Einzelrichters des Beschwerdegerichts zu treten; denn eine solche Möglichkeit der Korrektur des gesetzlichen Richters oder der Nichtbeachtlichkeit eines die Besetzung des Beschwerdegerichts beeinflussenden Verfahrensfehlers sieht die ZPO nicht vor. Ebenso wenig folgt aus der Tatsache, dass bei einer etwaigen erneuten Beschwerde, welche nunmehr gegen die Entscheidung der Kammer gerichtet wäre, die Sache nach der Geschäftsverteilung des OLG Frankfurt am Main aufgrund Sachzusammenhangs mit einer früheren, anderen Beschwerde im vorliegenden Rechtsstreit erneut dem 1. Zivilsenat zugewiesen werden wird, dass der Senat bereits jetzt in der Sache in voller Besetzung entscheiden könnte. Denn der Senat ist mit drei Beisitzern besetzt, und e...

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