Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Vornamensänderung von türkischem Transsexuellen

 

Normenkette

TSG § 1

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.11.2017; Aktenzeichen XII ZB 345/17)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur Durchführung eines Verfahrens nach § 1 TSG an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 5.000,- EURO.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die antragstellende, ledige Person ist türkische Staatsangehörige. Sie wurde am ... 1991 in Stadt1/Türkei geboren. Ausweislich der vorgelegten türkischen Geburtsurkunde wurde der Vorname mit Y und das Geschlecht mit weiblich beurkundet. Die antragstellende Person verfügt über einen unbefristeten, von der Stadt O1 am 21. August 2013 ausgestellten Aufenthaltstitel.

Mit am 11. September 2015 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben beantragte die antragstellende Person die Vornamensänderung gemäß § 1 TSG (künftig: "X") weil sie sich dem männlichen Geschlecht zugehörig fühle.

Der Vertreter des öffentlichen Rechtes machte geltend, eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit und die Berichtigung der Eintragungen in den Registern sei in der Türkei möglich. Da es im türkischen IPR keine Rückverweisung auf das deutsche Aufenthaltsrecht gebe, komme für türkische Staatsangehörige insoweit türkisches Recht zur Anwendung, welches zwar keine unterschiedlichen Verfahren wie §§ 1 und 8 TSG, aber ansonsten einige Gemeinsamkeiten aufweise. Zudem sei davon auszugehen, dass der türkische Staat mit hoher Wahrscheinlichkeit ein deutsches TSG-Verfahren nicht akzeptieren und keine Änderungen in türkischen Registern oder Ausweisen vornehmen würde.

Der Richter des Amtsgerichts wies den Antrag auf Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz mit Beschluss vom 29. März 2016, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 8 ff d.A.) zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Antragsbefugnis nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 d TSG sei nicht gegeben, weil das türkische Sachrecht in Art. 27 und 40 des türkischen ZGB und §§ 35 ff des türkischen Personenstandsgesetzes aufgrund von Transsexualität eine Namensänderung ermögliche, die hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen nicht gleichlautend, sondern nur vergleichbar sein müsse, was der Rechtsprechung des BVerfG entspreche. Deshalb seien die vermeintlichen Rechte trotz des Aufenthalts in Deutschland vor einem türkischen Gericht und nach türkischem Recht, das ebenfalls auf das jeweilige Personalstatut abstelle, geltend zu machen.

Gegen den am 6. April 2016 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss legte die antragstellende Person durch Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Mai 2016 (Bl. 18 - 21 d. A.), auf den verwiesen wird, Beschwerde ein. Zur Begründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, nach dortiger Sicht bestehe im türkischen Recht gerade keine vergleichbare Regelung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3 d TSG, weil die in Art. 40 türk. ZGB mit dem zwingenden Erfordernis einer geschlechtsangleichenden Operation, der Herbeiführung dauerhafter Unfruchtbarkeit sowie der Ehelosigkeit Voraussetzungen gefordert würden, welche nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum TSG gegen elementare Grundrechte der deutschen Verfassung verstoßen würden.

Der Amtsrichter hat der Beschwerde mit näher begründetem Beschluss vom 29. Juli 2016 (Bl. 28 - 30 d. A.), auf den Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat darauf verwiesen, dass Deutschland nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011 im Vergleich zu anderen Ländern nun eine sehr liberale und großzügige Regelung habe, so dass die geforderte enge Interpretation des Begriffes der "vergleichbaren Regelung" die zukünftige Öffnung des deutschen TSG für fast alle ausländischen Transsexuellen in Deutschland bedeute, wodurch sich das deutsche Recht konsequent über alle bestehenden Heimatrechte hinwegsetzen und "hinkende Geschlechts- und Namensverhältnisse" schaffen würde. Auch aus rein praktischen Erwägungen erschließe sich der Antrag nicht, da ein deutscher Gerichtsbeschluss vom türkischen Heimatrecht und den dortigen Behörden nicht akzeptiert und somit nicht in das türkische Familienregister eingetragen oder bei der Ausstellung offizieller türkischer Dokumente berücksichtigt würde. Damit gehe ein deutsches TSG-Verfahren völlig ins Leere und würde neben den verbleibenden amtlichen türkischen Legitimationspapieren eher zu erheblichen Problemen im täglichen Leben führen. Zudem werde davon ausgegangen, dass es sich bei dem Vornamen "X" um einen türkischen weiblichen und männlichen Vornamen handele. Eine diesbezügliche Namensänderung könne deshalb in der Türkei betrieben und sodann im türkischen Reisepass, Nüfus oder Familienregister eingetragen werden.

Die antragstellende Person ist dem mit Schrift...

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