Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch wirksamen Ehevertrag

 

Normenkette

BGB §§ 138, 242, 1410; FamFG Art. 224 Abs. 3; VersAusglG §§ 6, 7 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Beschluss vom 25.09.2020)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 15.02.2023; Aktenzeichen 1 BvR 2349/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wiesbaden vom 25.09.2020 abgeändert und in Absatz 2 und 3 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich wie folgt neu gefasst:

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf 1.587 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Ehevertrags und in der Folge um die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs im Rahmen eines Scheidungsverbundverfahrens.

Die Beteiligten haben am XX.XX.1994 in der Türkei geheiratet. Damals besaßen beide die türkische Staatsangehörigkeit. Sie kamen zusammen nach Deutschland, wo am XX.XX.1995 die Tochter A und am XX.XX.2000 die Tochter B geboren wurden.

Während der Ehe war die 1974 geborene Ehefrau zumindest bis zum Jahr 2014 nicht berufstätig. In der Türkei hatte sie Abitur gemacht und die Hochschulreife erworben. Der 1963 geborene Ehemann, der gelernter Beruf1 ist, war in Deutschland teilweise als Beruf2 angestellt, teilweise selbständig.

Die Familie bewohnte ein Einfamilienhaus in Stadt1, das im Alleineigentum des Ehemanns steht. Es weist einen Verkehrswert von rund 200.000 EUR auf bei noch bestehenden Belastungen von rund 100.000 EUR. Die Antragstellerin war seit Eheschließung Eigentümerin einer Immobilie in Stadt2 (Türkei), die der Ehemann als Morgengabe in streitigem Umfang (mit-) finanziert hatte.

Zu einer ersten Trennung der Beteiligten kam es im Jahr 2000, als die Ehefrau unter streitigen Umständen in die Türkei flog, während der Ehemann mit der Tochter A in Deutschland verblieb. Vor Geburt der Tochter B kam es zu einer Versöhnung der Beteiligten und die Ehefrau kehrte zur Familie zurück.

Am 21.02.2002 schlossen die Beteiligten zu UR-NR. ... vor dem Notar C in Stadt1 einen Ehevertrag. Hierbei war ein Dolmetscher anwesend, da die Ehefrau gemäß den Ausführungen des Notars im Vertrag der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war. Im Vertrag wurde aufgenommen, dass beide Beteiligten berufstätig seien und über ausreichende Einkünfte verfügten. Die Beteiligten wählten das deutsche Recht und vereinbarten die Gütertrennung, einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Auf Bl. 84 ff. d.A. wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Die Beteiligten erwarben in der Folge beide die deutsche Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2006 begab sich die Ehefrau mit beiden Töchtern in ein Frauenhaus. Von den dortigen Mitarbeitern wurde ihr erläutert, dass ein Vertrag in dieser Form nicht rechtswirksam sei und dass sie für den Fall einer Versöhnung auf eine Aufhebung des Vertrages bestehen sollte.

Die Beteiligten versöhnten sich und schlossen am 28.06.2006 vor dem Notar C zu UR-Nr. ... unter Hinzuziehung eines Dolmetschers einen weiteren notariellen Vertrag, mit dem alle Vereinbarungen aus der Notarurkunde ersatzlos gestrichen wurden. Auf Bl. 79 ff. d.A. wird verwiesen.

Am 05.07.2011 begaben sich die Beteiligten erneut zu Notar C. Laut Text des zu UR-Nr. ... erneut abgeschlossenen Ehevertrags stellte der Notar fest, dass die Beteiligten der deutschen Sprache mächtig seien und auf einen Dolmetscher verzichtet werde. Weiter ist aufgenommen, die ebenfalls anwesende Tochter A sei für evtl. Rückfragen herangezogen worden. Einleitend wurde aufgenommen, dass ein Widerruf des ursprünglichen Ehevertrags nicht mehr gewünscht werde und es im Wesentlichen bei den früheren Vereinbarungen bleiben solle. Die Ehefrau sei zwar nicht berufstätig, der Ehemann beabsichtige jedoch, der Ehefrau Immobilien zu übertragen, um einen Ausgleich zu schaffen. Vor diesem Hintergrund vereinbarten die Beteiligten erneut die Gütertrennung und einen Verzicht auf etwaige Zugewinnausgleichsansprüche, einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht und einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Auf Bl. 6 ff. d.A. wird hinsichtlich des Wortlauts und der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Den Beteiligten war bei Vertragsschluss bewusst, dass nur geringe Versorgungsanwartschaften erworben worden waren.

2012 verkaufte die Ehefrau ihre Wohnung in Stadt2 (Türkei) und kaufte eine teurere Wohnung. Ob und ggf. in welchem Umfang sich der Ehemann hieran beteiligte, ist streitig.

Im Jahr 2013 kam der Ehemann für zwei Jahre und 10 Monate wegen hinterzogener Sozialabgaben in Haft.

Die Beteiligten trennten sich endgültig im Juni 2016, als die Ehefrau auszog.

Beide Eheleute beantragten im vorliegenden Verfahren die Scheidung. Der zuerst gestellte Scheidungsantrag des Ehemanns wurde der Ehefrau am 18.08.2017 zugestellt.

Das Amtsgericht holte die Auskünfte zum Versorgungsausgleich ein. Beide Eheleute habe...

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