Leitsatz (amtlich)

Die Tätigkeit eines durch eine wirksame gerichtliche Entscheidung "bestellten" Umgangspflegers kann nach den Umständen des Einzelfalls trotz fehlender Verpflichtung (§ 1789 BGB) zu vergüten sein, wenn die Versagung einer Vergütung den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widerspräche.

Eine Vergütung ist jedenfalls zu gewähren, wenn ein Pfleger im Vertrauen auf die richterliche Anweisung aufgrund eines wirksamen Beschlusses in einer Eilsache, die keinen Aufschub duldete, tätig geworden ist.

 

Normenkette

FamFG § 155; BGB §§ 242, 1684, 1789, 1915

 

Verfahrensgang

AG Dieburg (Beschluss vom 23.06.2016; Aktenzeichen 50 F 840/14 UG)

 

Tenor

Der Beschluss vom 23.06.2016 wird abgeändert.

Die an die Umgangspflegerin und Beschwerdeführerin zu zahlende Vergütung wird auf 1.220,03 Euro festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse zur Last gelegt.

Beschwerdewert: 1.220,03 Euro.

 

Gründe

Das AG - Familiengericht - Dieburg hat in der das oben genannte Kind betreffenden Familiensache mit Beschluss vom 23.06.2015 die Beschwerdeführerin zur Umgangspflegerin bestellt.

Dabei hat das AG ganz offensichtlich ein sofortiges Tätigwerden für erforderlich erachtet und dies der Beschwerdeführerin auch durch Übersendung von Aktenauszügen und eine Befristung der Tätigkeit auf weniger als sechs Monate bis zum 22.12.2015 verdeutlicht. Dem verfahrensleitenden Richter war dabei während seines noch laufenden Verfahrens an einer Anbahnung und Begleitung der Umgänge gelegen; die erwarteten Erkenntnisse sollten zur Grundlage einer neuen Entscheidung werden.

Das AG hat die Festsetzung der von der Umgangspflegerin mit ihrem Antrag vom 10.01.2016 begehrten Vergütung über 1.220,03 Euro in der angefochtenen Entscheidung der Rechtspflegerin vom 23.06.2016 abgelehnt, weil die Beschwerdeführerin vor Aufnahme ihrer Tätigkeit nicht förmlich auf das wahrzunehmende Amt verpflichtet worden ist.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Umgangspflegerin.

Die Bezirksrevisorin beim LG Darmstadt als Vertreterin der Staatskasse verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Verweis auf eine ihre Auffassung vermeintlich stützende Entscheidung des 5. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt am Main vom 13.02.2012 (5 UF 407/11).

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung der Vergütung als eine Entscheidung im Sinne des § 38 FamFG ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig.

Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

Zwar ist grundsätzlich für das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs eines Pflegers aus § 1835 BGB die vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgte förmliche Bestellung in dessen persönlicher Anwesenheit erforderlich (§ 1915 BGB i.V.m. § 1789 BGB), an der es vorliegend fehlt.

Allerdings ist, wie das OLG Frankfurt am Main gerade auch in dem von der Bezirksrevisorin zitierten Beschluss des 5. Senats für Familiensachen (Beschluss vom 13.02.2012, 5 UF 407/11 = FamRZ 2012, 1890 Ls.) entschieden hat, die Tätigkeit eines Pflegers nach den Umständen des Einzelfalls gleichwohl zu vergüten und Aufwendungsersatz zu leisten, wenn eine Versagung den Grundsätzen von Treu und Glauben nach § 242 BGB widerspräche (ebenso OLG Hamm FamRZ 2014, 672; OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 888; OLG Koblenz FamRZ 2010, 1173; LG Münster FamRZ 2010, 473; AG Gießen, Beschluss vom 16.08.2011, 244 F 310/11 PF; Menne, ZKJ 2010, 245 f.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 02.03.2016 (XII ZB 196/13), der eine Anwendung von § 242 BGB ebenfalls nicht ausschließt; der dort zur Entscheidung über eine Betreuervergütung zugrunde liegende Fall einer in einem vorläufigen Beschluss ausdrücklich befristeten und anschließend nicht nahtlos vom Gericht verlängerten oder erneut beschlossenen Betreuung mit der Folge, dass der ersichtlich entstandene Zwischenzeitraum nicht vergütet werden kann und auch kein diesbezüglicher Rechtsschein erzeugt worden war, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt bereits im Ansatz nicht vergleichbar.

Vorliegend ist ein gemäß §§ 40, 41 FamFG grundsätzlich mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordener richterlicher Beschluss ergangen; die darin gesetzte Frist lief bis zum 22.12.2015. Auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vergütungsantrag. Schon insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt grundsätzlich von der Fall-konstellation des BGH aus dem Betreuungsrecht, in der es an einer Beschluss-fassung für den streitigen Zeitraum fehlte. Die vorliegende Angelegenheit, die als Umgangssache schon nach § 155 Abs. 1 FamFG einem besonders gesetzlich geregelten Beschleunigungsgebot unterliegt, war hier noch zusätzlich dadurch gekennzeichnet, dass eine Umgangsregelung bestand, deren weitere Umsetzung mit dem psychisch auffälligen Kindesvater dringend einer Beobachtung bedurfte, die die Umgangspflegerin leisten sollte, ehe eine zunächst angedachte Abänderungsentscheidung ergehen konnte. Der Richter hat deshalb die Umgangspflegerin unter Übersendung der maßgeblichen Aktenauszüge am 01.07.2015 ausdrücklich beauftrag...

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