Leitsatz (amtlich)

1. Zur Vererbung von Blutmerkmalen.

2. Die laienhaft falsche Bewertung von Umständen die objektiv (naturwissenschaftlich) nicht geeignet sind, Zweifel an der Abstammung zu begründen, setzen die Anfechtungsfrist nicht in Gang und machen die Klage nicht schlüssig. Nach der Formulierung des § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB ("in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen ") kann die Frist nur durch die Kenntnis von solchen Umständen in Gang gesetzt werden, die dazu objektiv geeignet sind.

 

Normenkette

BGB § 1600 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Büdingen (Aktenzeichen 51 F 182/07)

 

Gründe

Die am ... 1967 geborene Beklagte ist aus der Ehe des Klägers mit Frau X. hervorgegangen. Die Eheleute leben getrennt. Zwischen ihnen ist bei dem FamG in Büdingen ein Scheidungsverfahren anhängig.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte nicht seine leibliche Tochter sei und beantragt für die Klage Prozesskostenhilfe. Zur Begründung seiner Anfechtungsklage hat er vorgetragen, er habe Ende März 2005 ein Gespräch zwischen der Beklagten und deren Mutter mitgehört. Im Zusammenhang mit dem Thema Blutspenden habe die Beklagte erklärt, dass sie die Blutgruppe Null besitze und den Rhesusfaktor Negativ habe. Der Kläger, der gelernter Schlosser sei und über keine höhere Schulbildung verfügen, habe gewusst, dass er selbst die Blutgruppe Null habe und dominant rhesuspositiv sei. Ebenso habe er gewusst, dass seine Ehefrau die Blutgruppe A habe und ebenfalls dominant rhesuspositiv sei. Ende März/Anfang April 2005 habe er seinen Hausarzt aufgesucht und diesem die Frage gestellt, ob Eltern, die den dominanten Rhesusfaktor Positiv haben, einen Abkömmling mit negativem Rhesusfaktor haben könne. Dies habe der Hausarzt verneint. Diese Äußerung des Arztes habe bei ihm zu einer Kenntnis von Umständen geführt, die gegen seine Vaterschaft i.S.d. § 1600b BGB sprächen. Seit dieser Äußerung des Arztes bestehe bei dem Kläger der objektive Verdacht, nicht der Vater der Beklagten zu sein; dies genüge für den Beginn der Anfechtungsfrist. Es sei für die Folgerung aus den Umständen auf die fehlende Abstammung auf einen objektiv durchschnittlich vernünftigen, naturwissenschaftlich nicht vorgebildeten Urteilenden abzustellen.

Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt:

"Ein Vaterschaftsanfechtungsklage bietet nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Anfechtungsberechtigte einen begründeten Anfangsverdacht vorträgt, d.h. bei einer nach § 1592 Ziff. 1 BGB (eheliche Vaterschaft) bestehenden Vaterschaft muss der rechtliche Vater Tatsachen vortragen, die bei objektiver Betrachtung Zweifel an der Ehelichkeit des Kindes begründen können und die die Möglichkeit der Abstammung von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen (vgl. Diederichsen in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 1599 BGB Rz. 5).

Insoweit hat der Kläger lediglich vorgetragen, es sei unmöglich, dass der Rhesusfaktor NEGATIV vererbt werden könne, wenn beide Elternteile den Rhesusfaktor POSITIV haben. Da die Mutter der Beklagten, die vom Kläger getrennt lebenden Ehefrau, als auch er Rhesusfaktor POSITV hätten und die Beklagte Rhesusfaktor NEGATIV habe, könne er also nicht der Vater der Beklagten sein.

Diese Annahme des Klägers ist offensichtlich falsch. Auch Eltern, die beide den Rhesusfaktor POSITIV (Gen "D") haben, können den Rhesusfaktor NEGATIV (Gen "d") vererben. Nur umgekehrt ist dies nicht möglich (Eltern, die beide den Rhesusfaktor NEGATIV haben, können den dominanten Rhesusfaktor POSITIV nicht vererben). Die Blutgruppensysteme jedes Menschen setzen sich aus den von der Mutter und den vom Vater geerbten Genen zusammen. Jeder Mensch besitzt daher das Rhesus-Merkmal zweimal, wobei immer nur ein Merkmal vererbt wird. Wie auch beim ABO-Blutgruppensystem werden die beiden Gene "D" und "d" in bestimmter Erbfolge vererbt. Das D-Gen dominiert ggü. dem d-Gen (rezessiv), wodurch es über den Rhesus-Typ des betreffenden Menschen entscheidet. Ein Rhesus-positiver Mensch kann demnach die Genkombination Dd (mischerbig) oder DD (reinerbig) besitzen, während ein Rhesus-negativer Mensch nur die reinerbige Genkombination dd besitzen kann.

Nach den Mendelschen Vererbungsgesetzen haben Kinder von Eltern, die beide den Rhesusfaktor POSITIV haben, daher zu 75 % den Rhesusfaktor POSITIV (25 % mit dem Genotyp DD und 50 % mit dem Genotyp Dd) und 25 % den Rhesusfaktor NEGATIV (Genotyp dd). Während Eltern mit dem Rhesusfaktor NEGATIV, die nur den Genotyp dd besitzen, folglich auch nur Kinder mit dem Genotyp dd haben können. Auch die weiter vom Kläger vorgetragenen Blutgruppen der Parteien und der Mutter der Beklagten sprechen nicht gegen eine Vaterschaft. Im Rahmen des ABO-Blutgruppensystems ist die Blutgruppe 0 rezessiv, d.h. der Kläger, der die Blutgruppe 0 hat, muss den Genotyp 00 haben. Die Mutter der Beklagten hat die Blutgruppe A und...

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