Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsvollstreckung: Verbot der Doppelahndung bei einheitlicher Zuwiderhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO gilt das Verbot der Doppelahndung (Art. 103 GG) mit der Folge, dass die durch einen ergangenen Ordnungsmittelbeschluss bereits sanktionierte Zuwiderhandlung nicht erneut zum Gegenstand einer weiteren Ahndung gemacht werden darf. Liegt unter dem Gesichtspunkt der natürlichen oder rechtlichen Handlungseinheit eine einheitliche Zuwiderhandlung vor, erfasst der "Sanktionsverbrauch" der bereits erfolgten Ahndung alle Teile dieser einheitlichen Zuwiderhandlung unabhängig davon, ob sie dem Unterlassungsgläubiger oder dem Gericht bei Erlass des ersten Ordnungsmittelbeschlusses bekannt waren oder bekannt sein konnten. Der "Sanktionsverbrauch" endet jedoch mit der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses an den Schuldner.

2. Eine einheitliche Zuwiderhandlung in dem unter Ziffer 1. Genannten Sinn liegt etwa vor, wenn der Unterlassungsschuldner auf Grund des Verbotstitels gehalten war, in sämtlichen seiner Internetangebote die Widerrufsbelehrung zu ändern, er dies aber für einzelne Angebote versäumt hat. Sind gegen ihn deswegen Ordnungsmittel verhängt worden, scheidet eine erneute Ahndung aus, wenn sich anschließend ergibt, dass in weiteren bis zur Zustellung des Ordnungsgeldbeschlusses aufrufbaren Angeboten die erforderlichen Änderungen ebenfalls nicht vorgenommen worden waren.

 

Normenkette

ZPO § 890; GG Art. 103

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 05.01.2016; Aktenzeichen 3-6 O 48/15)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Der Vollstreckungsantrag der Antragstellerin vom 27.10.2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: 1.000 EUR.

 

Gründe

I. Das LG hat am 19.10.2015 gegen den Antragsgegner wegen des Verstoßes gegen das gerichtliche Gebot aus dem Beschluss vom 1.7.2015, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet Angebote für Sanitärobjekte an Letztverbraucher zu richten, wenn in diesen nicht klar und verständlich unter Angabe der vorhandenen Telefonnummer über das Widerrufsrecht informiert wird, wie in der ...-Anzeige gem. Anlage K 1 wiedergegeben, ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EUR verhängt. Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner am 22.10.2015 zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2015 hat die Antragstellerin beantragt, gegen den Antragsgegner wegen weiterer Zuwiderhandlungen gegen das Unterlassungsgebot ein weiteres Ordnungsgeld zu verhängen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Dazu hat die Antragstellerin Ablichtungen von ...-Angeboten des Antragsgegners vom 16.10.2015 vorgelegt (Bl. 182/212 d.A.).

Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG gegen den Antragsgegner ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise für je 500 EUR ein Tag Ordnungshaft verhängt. Es hat angenommen, dass der Antragsgegner schuldhaft gegen seine Unterlassungspflicht verstoßen hat. Er könne sich nicht darauf berufen, dass die jetzigen Verstöße durch den ersten Ordnungsmittelbeschluss abgedeckt seien (Bl. 283 ff. d.A.).

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners. Er trägt vor, er habe nach Erlass der einstweiligen Verfügung bei den knapp 500 von ihm auf ... eingestellten Angeboten jeweils die Telefonnummer in die Widerrufsbelehrung eingefügt. Sofern dies durch ein Missgeschick bei einzelnen Anzeigen unterblieben sein, könne das nur auf einem einheitlich zu beurteilenden "Nichtstun" beruhen, dass sich zeitgleich auf alle ... Angebote ohne Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung beziehe. Die nun streitgegenständlichen Angebote hätten unproblematisch bereits im ersten Ordnungsgeldverfahren abgehandelt werden können, so dass die Verstöße bereits durch den Ordnungsmittelbeschluss des LG vom 19.10.2015 hinreichend sanktioniert worden seien.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg, denn das LG hätte wegen der Anzeigen vom ... Oktober 2015, die Grundlage des (zweiten) Ordnungsmittelantrages vom 27.10.2016 waren, nach dem (ersten) Ordnungsmittelbeschluss vom 19.10.2015, zugestellt am 22.10.2015, kein weiteres Ordnungsgeld mehr verhängen dürfen, da die dem zugrunde liegende Zuwiderhandlung bereits durch den ersten Ordnungsgeldbeschluss geahndet worden ist.

1. Die in § 890 ZPO normierten Ordnungsmittel sollen den Schuldner zu rechtstreuem Verhalten bewegen und bisherige Verstöße sanktionieren (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., Rn 5 zu § 890 ZPO). Wegen dieser strafähnlichen Funktion gilt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschlüsse vom 15.5.1995 - 6 W 51/95 - und vom 3.2.1997 - 6 W 90/96) auch im Vollstreckungsverfahren nach § 890 ZPO das Verbot der Doppelahndung (Art. 103 GG) mit der Folge, dass die durch einen ergangenen Ordnungsmittelbeschluss sanktionierte Zuwiderhandlung nicht erneut zum Gegenstand einer weiteren Ahndung gemacht werde...

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