Leitsatz (amtlich)

Keine Prüfung einer etwaigen Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren.

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 17.03.2004; Aktenzeichen 8 O 845/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der Rechtspflegerin des LG Kassel vom 17.3.2004 aufgehoben.

Unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Beklagten werden die auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils des LG Kassel vom 6.7.2000 von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 5.952,62 Euro (Fünftausendneunhundertzweiundfünfzig und 62/100 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2003 festgesetzt.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 5.952,62 Euro zu tragen.

 

Gründe

Durch Versäumnisurteil des LG vom 6.7.2000 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger 264.525,37 DM nebst Zinsen zu zahlen. Ihr wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf den Antrag des Klägers setzte die Rechtspflegerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.1.2004 die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf 5.952,62 Euro nebst Zinsen fest. Gegen die ihr am 23.1.2004 zugestellte Entscheidung legte die Beklagte am 27.1.2004 Rechtsmittel ein. Zur Begründung führte sie aus, der Kostenerstattungsanspruch sei verjährt. Außerdem verwies sie auf eine Vereinbarung der Parteien vom 3.1.2002, nach u.a. mit Zahlung von 30.000 Euro bis zum 3.9.2002 die aus dem Versäumnisurteil bestehende Restforderung erlassen werde. Mit Beschluss vom 17.3.2004 half die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde ab und hob den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.1.2004 auf. Zur Begründung führte sie aus, der Kostenerstattungsanspruch sei im Hinblick auf den Zeitraum zwischen Urteil und Kostenerstattungsanspruch sowie wegen der Vereinbarung der Parteien vom 3.1.2002 verwirkt. Gegen diese am 19.3.2004 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 2.4.2004 Rechtsmittel eingelegt.

Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um die nach § 104 Abs. 3 ZPO statthafte sofortige Beschwerde. Die Abhilfeentscheidung der Rechtspflegerin hat zwar das Ausgangsrechtsmittel der Beklagten erledigt. Dadurch wird aber nicht das Recht des Klägers beeinträchtigt, gegen den ihn belastenden Abhilfebeschluss, der eine Zurückweisung seines Antrags auf Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zum Inhalt hat, nun seinerseits ein Rechtsmittel einzulegen (Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 572 Rz. 15).

Die sofortige Beschwerde ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingehalten. Das folgt aus dem am 2.4.2004 eingegangenen Faxschreiben vom 2.4.2004, welches das LG versehentlich zunächst nicht dem Senat mit den Akten vorgelegt hatte.

In der Sache ist die sofortige Beschwerde auch begründet.

Der Beschluss vom 17.3.2004 hat keinen Bestand. Eine etwaige Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs ist in dem vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient vom Ansatz her nur dazu, den in der vollstreckbaren Entscheidung enthaltenen Kostenausspruch der Höhe nach zu beziffern. Deswegen sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Einwendung zweifelsfrei feststehen (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 104 Rz. 21, Stichwort: materiell-rechtliche Einwendung, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.12.2000 - 14 W 107/00). Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Es bedarf keines Eingehens darauf, ob bei einem Zeitablauf von 3 1/2 Jahren zwischen Kostengrundentscheidung und Kostenerstattungsantrag das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment schon zu bejahen wäre. Jedenfalls besteht Streit, ob die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass der Kläger keine Kostenerstattungsansprüche mehr geltend machen werde. Die Vereinbarung der Parteien vom 3.9.2002 gibt hierfür keine unstreitige Grundlage, denn es besteht Streit darüber, ob die Vereinbarung neben der titulierten Forderung aus dem Versäumnisurteil auch die Kostenerstattung umfasst. Das kann im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geklärt werden.

Teilweise wird allerdings der Verwirkungseinwand unter dem Gesichtspunkt eines Missbrauchs prozessualer Befugnisse im Kostenfestsetzungsverfahren zugelassen (KG JW 1939, 170; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 261; OLG Bamberg JurBüro 1987, 1412 f.; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 104 Rz. 21, Stichwort: Verwirkung). Der Senat schließt sich aber der überwiegenden Meinung an, wonach ein verfahrensrechtlicher Verwirkungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist (OLG Stuttgart v. 17.11.1983 - 8 W 414/83, MDR 1984, 409 = Rpfleger 1984, 113; OLG Düsseldorf v. 7.7.1988 - 10 W 59/88, MDR 1988, 972; OLG Karlsruhe v. 19.3.1992 - 16 WF 27/92, FamRZ 1993, 1228; KG v. 22.3.1994 - 1 W 6641/93, KGReport Berlin 1994, 9...

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