Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens vor Klageerhebung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens vor Klageerhebung sind auch dann erstattungsfähig, wenn die Klage nicht angedroht ist, der Gegner sich in Folge anwaltlicher Zahlungsaufforderung aber auf eine gerichtliche Inanspruchnahme einstellen muss und aufgrund der Unfallschilderung in Verbindung mit dem Schadensgutachten der ernsthafte Verdacht einer Unfallmanipulation besteht und das Privatgutachten zur Grundlage der Rechtsverteidigung im Prozess wird.

2. Dasselbe gilt für privatgutachtlich erarbeitete Stellungnahmen der selbst nicht sachkundigen Partei zu einem vorläufig gerichtlichen Gutachten. Die Kosten einer Anwesenheit des Privatgutachters im Termin zur Erläuterung des Gerichtsgutachtens sind nur notwendig, wenn dessen Erscheinen durch das Gericht angeordnet war oder zur Erschütterung des für die Partei ungünstigen gerichtlichen Gutachtens fachlich erforderlich war.

3. Die Höhe der notwenigen Privatgutachterkosten richtet sich nach der Vereinbarung und nicht nach JVEG, solange die Ladung des Privatgutachters nicht gerichtlich angeordnet ist. Die Vereinbarung ist in der Regel durch eine Rechnung des Privatgutachters, die die Anzahl der erbrachten Stunden und dem Stundensatz erkennen lässt, nicht hingegen durch eine pauschalisierte Rechnung, hinreichend dokumentiert ist.

4. Nicht notwendig sind nur solche Kosten, die eine einschlägige Honorarverordnung oder die ortsüblichen Honorare unangemessen übersteigen.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1, § 104 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Aktenzeichen 2 O 85/07)

 

Gründe

... Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG, und teilweise begründet. Die Beklagte ist durch die Absetzungen mit 3.278,75 EUR beschwert. In Höhe von 2.816,21 EUR hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kosten für ein vorprozessual eingeholtes Privatgutachten können nur ausnahmsweise als Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden (vergleiche BGH vom 17.12.2002 - VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235). Hierfür genügt es nicht, wenn das Gutachten im Rechtsstreit verwendet wird; das Gutachten muss vielmehr wegen eines sich abzeichnenden Rechtsstreits in Auftrag gegeben worden sein. Grundsätzlich hat eine Partei ihre Einstandspflicht in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen (vergleiche BGH vom 4.3.2008 - VI ZB 72/06, NJW 2008, 1597). Als Ausnahmen anerkannt sind Privatgutachtenaufträge nach Klageandrohung (vergleiche BGHZ 153, 235; BGH vom 23.5.2006 - VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415), um sich gegen die bevorstehende Klage sachgerecht verteidigen zu können. Die notwendige unmittelbare Prozessbezogenheit einer vorgerichtlichen Begutachtung ist auch zu bejahen, wenn sich im Vorfeld der Klageerhebung der Verdacht eines Versicherungsbetruges aufdrängt und sich der Versicherer deshalb auf einen Deckungsprozess einstellen muss (vergleiche BGH vom 14.10.2008 - VI ZB 16/08, NZV 2009, 27 = Rpfleger 2009, 117; BGH vom 18.11.2008 - VI ZB 24/08, zitiert nach juris). Dies hat der erkennende Senat bereits in der Vergangenheit wiederholt ausgesprochen (OLG Frankfurt vom 7.6.1994 - 12 W 112/94, Versicherungsrecht 1996, 122; Beschl. v. 5.8.1996 - 12 W 114/96, OLGReport Frankfurt 1996, 216 - Anschluss durch BGHZ 153, 235). Hieran wird im Hinblick auf die dokumentierte neuere BGH-Judikatur ausdrücklich festgehalten.

2. Das LG hat demgegenüber einen zu engen Begriff der Prozessbezogenheit des Privatgutachtens zugrunde gelegt. Darauf, dass dieses bereits am 29.12.2006 und somit vor Androhung einer Klage und deren Erhebung am 23.2.2007 in Auftrag gegeben wurde, kommt es nicht entscheidend an, weil die Beklagte aufgrund der anwaltlichen Zahlungsaufforderung der Klägerseite vom 23.12.2006 mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme rechnen musste und aufgrund der Schadensschilderung in Verbindung mit dem Schadensgutachten vom 22.12.2006 Anhaltspunkte für eine Unfallmanipulation bestanden, die die Beklagte in einem Rechtsstreit zur erfolgversprechenden Rechtsverteidigung darlegen musste, was sie aus eigener Sachkunde heraus nicht zuverlässig vermochte (vergleiche BGH vom 17.12.2006, BGHZ 153, 235 zitiert nach juris Rz. 13, 14). Insoweit ist es auch ausreichend, dass die Beklagte die Erkenntnisse aus dem Privatgutachten SV1 vom 2.3.2007 in der Klageerwiderung vom 18.4.2007 verarbeitet und in das Wissen des sachverständigen Zeugen SV1 gestellt hat; einer Vorlage des Gutachtens im Rechtsstreit bedurfte es unter diesen Umständen nicht, um die Prozessbezogenheit des Privatgutachtens bejahen zu können. Der Festsetzungsantrag ist daher dem Grund...

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