Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallersatztarif. Mietwagenkosten. Pauschaler Aufschlag

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Schätzung eines Aufschlags zum Normaltarif bei einem sog. Unfallersatztarif (hier: Aufschlag von 15 %).

b) Der Schädiger muss darlegen und ggf. beweisen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen "ohne Weiteres" zugänglich gewesen ist.

 

Normenkette

BGB § 249; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 15.08.2007; Aktenzeichen 1 S 175/06)

AG Nordhorn (Entscheidung vom 15.02.2006; Aktenzeichen 3 C 1278/05)

 

Tenor

Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 15.8.2007 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 6) 2 % und der Beklagte zu 3) 8 % zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Die Parteien streiten um die Erstattung restlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall vom 19.10.2004. Die Haftung des Beklagten, der mit der Regulierung beauftragt ist, steht dem Grunde nach außer Streit.

[2] Der Kläger hat das Unfallfahrzeug unrepariert verkauft und sich ein Ersatzfahrzeug angeschafft. Die Reparaturdauer des Unfallwagens hätte laut Sachverständigengutachten 5 Arbeitstage betragen. Vom 19. bis 28.10.2004 mietete der Kläger einen Ersatzwagen an, für den der Vermieter 1.082,04 EUR in Rechnung stellte. Der Beklagte hat hierauf vorprozessual 255 EUR gezahlt und eine weitergehende Erstattung abgelehnt.

[3] Mit seiner Klage hat der Kläger den Restbetrag der Mietwagenkosten nebst Zinsen sowie weitere 87,29 EUR für außergerichtliche Kosten geltend gemacht. Das AG hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 66,30 EUR nebst Zinsen sowie weiteren 30,45 EUR außergerichtlichen Kosten verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hat das LG den Beklagten unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 390 EUR nebst Zinsen sowie weiteren 87,29 EUR außergerichtlichen Kosten verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen der Kläger sein Klagebegehren und der Beklagte im Wege der Anschlussrevision seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

[4] Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten i.H.v. 390 EUR gem. §§ 823, 249 BGB, 7 StVG zu.

[5] Auch Mietwagenkosten nach einem Unfallersatztarif seien dem Grunde nach erstattungsfähig. Im Streitfall liege der Tarif jedoch um ein Vielfaches über dem sog. Normaltarif und werde nicht mehr durch Angebot und Nachfrage wesentlich bestimmt. Daher stelle er nur so weit den zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrag dar, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen ggü. dem Normaltarif höheren Preis betriebswirtschaftlich angemessen erscheinen ließen. Es sei dabei nicht erforderlich, den konkreten Tarif des Vermieters darauf zu untersuchen, ob in ihn unfallspezifische Leistungen eingeflossen seien. Vielmehr reiche aus, dass spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte den Mehrpreis ggü. dem Normaltarif rechtfertigten.

[6] Bei der gem. § 287 ZPO vorgenommenen Schätzung der Schadenshöhe sei das Berufungsgericht vom Normaltarif ausgegangen. Diesen habe es auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt. Der besonders günstige Werkstatttarif der vom Kläger aufgesuchten Vertragswerkstatt sei nicht zugrunde gelegt worden, weil dieser deutlich unter dem durchschnittlichen Mietwagentarif laut Schwacke-Mietpreisspiegel liege und nur Werbezwecken diene. Deshalb ergäben sich bei einer Anmietung für zehn Tage zum Normaltarif notwendige Kosten i.H.v. 618,97 EUR, nämlich 498,28 EUR für den durchschnittlichen Mietwagenpreis und die Kosten einer Vollkaskoversicherung.

[7] Dieser Betrag sei auf der Grundlage der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen wegen spezifischer Sonderleistungen im Unfallersatzgeschäft um 15,13 % zu erhöhen. Der Gutachter habe die verschiedenen in der Fachliteratur vertretenen Ansichten dargestellt und sich nach Überprüfung der Plausibilität der einzelnen Risikofaktoren eine eigene Auffassung gebildet. Dies stelle für die Schadensschätzung nach § 287 ZPO eine ausreichend verlässliche Grundlage dar.

[8] Bei der Schadensschätzung sei jedoch der vom Sachverständigen zugebilligte Aufschlag wegen eines höheren Auslastungsrisikos im Unfallersatzgeschäft unberücksichtigt geblieben, weil eine Zuordnung zum jeweiligen Geschäftsfeld nicht möglich sei. Auch eine Erhöhung wegen eines höheren Forderungs- und Mietausfallrisikos sei nicht gerechtfertigt, da dieses Zusatzrisiko im Wesentlichen auf Forderungsausfälle aufgrund verstärkter Auseinandersetzungen zwischen Autovermietern und Versicherungsgesellschaften über die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten zurückzuführen sei.

[9] Da der Beklagte Mietwagenkosten lediglich für neun Tage schulde, ergebe sich ein Zahlungsanspruch von gerundet 645 EUR. Abzüglich der bereits gezahlten 255 EUR verbleibe ein offener Betrag von 390 EUR.

II.

[10] Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision und der Anschlussrevision stand.

[11] A. Revision des Klägers:

[12] 1. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsurteil nicht bereits deshalb aufzuheben, weil es die Berufungsanträge nicht wiedergegeben hat. Zwar ist eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil nach § 540 ZPO grundsätzlich nicht entbehrlich. Der Antrag des Berufungsklägers muss aber nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben werden; es reicht aus, wenn aus dem Zusammenhang sinngemäß deutlich wird, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat, und der Umfang des in die Berufung gelangten Streitgegenstandes erkennbar ist (vgl. BGH BGHZ 156, 216, 218; 158, 60, 62 f. sowie BGH BGHZ 154, 99, 100 f.). Dies ist der Fall. Aus der Bezugnahme auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ergibt sich, dass der Kläger den Ersatz der vollen angefallenen Mietwagenkosten, also den nach Zahlung von 255 EUR verbleibenden Restbetrag von 927,04 EUR nebst den gesetzlichen Zinsen für die Mietwagenkosten sowie weitere 87,29 EUR für außergerichtliche Kosten geltend gemacht hat. Nach den Gründen des Berufungsurteils hat er ersichtlich den vom AG nicht zugesprochenen Betrag weiter verfolgt.

[13] 2. Das Berufungsurteil entspricht in seinem rechtlichen Ansatz der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats.

[14] a) Danach kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der ggü. dem "Normaltarif" teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen ggü. dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.2.2006 - VI ZR 126/05, VersR 2006, 669, 670; v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06, VersR 2007, 1144; v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06, VersR 2007, 1286, 1287, jeweils m.w.N.).

[15] Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollziehen. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den "Normaltarif" auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-Mietpreisspiegels" im Postleitzahlengebiet des Geschädigten - ggf. mit sachverständiger Beratung - ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06 -, a.a.O., 1144 f.; v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06 -, a.a.O., jeweils m.w.N.).

[16] b) Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht diese Grundsätze seiner Entscheidung zugrunde legen, auch wenn der Kläger Kalkulationsgrundlagen und weitere betriebswirtschaftliche Unterlagen seines Autovermieters vorgelegt hat. Die Beschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein bzw. bei Unternehmen dieser Art (so BGH, Urt. v. 25.10.2005 - VI ZR 9/05, VersR 2006, 133) einen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Interesse des Geschädigten, um für ihn bestehenden Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen. Diese Art der Prüfung gewährleistet vielmehr auch, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt.

[17] 3. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts, aufgrund derer es den vom Sachverständigen für möglich gehaltenen Aufschlag wegen des Auslastungsrisikos und eines höheren Forderungs- und Mietausfallrisikos nicht berücksichtigt hat, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

[18] Die grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Beweiswürdigung kann vom Revisionsgericht lediglich daraufhin überprüft werden, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 1.10.1996 - VI ZR 10/96, VersR 1997, 362, 364; v. 14.10.2003 - VI ZR 425/02, BGHReport 2004, 185, 186; BGH, Urt. v. 11.2.1987 - IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558; v. 9.7.1999 - V ZR 12/98, WM 1999, 1889, 1890; v. 5.10.2004 - XI ZR 210/03, VersR 2005, 272, 273). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für eine Beweiswürdigung, die - wie hier - nach § 287 ZPO vorzunehmen ist. Diese Vorschrift stellt nämlich lediglich geringere Anforderungen an das Maß für eine Überzeugungsbildung des Tatrichters, ist aber hinsichtlich der revisionsrechtlichen Überprüfung keinen anderen Maßstäben als die Überzeugungsbildung im Rahmen des § 286 ZPO unterworfen (vgl. BGH, Urt. v. 19.4.2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945 f.).

[19] Hinsichtlich des Auslastungsrisikos hat das Berufungsgericht nicht in Frage gestellt, dass dieses grundsätzlich in die Kalkulation der einzelnen Tarife einfließt. Da es demnach auch bei der Kalkulation der "Normaltarife" zu berücksichtigen ist, geht es hier nur darum, ob beim Unfallersatztarif ein höheres Auslastungsrisiko anzusetzen ist. Davon hat sich das Berufungsgericht nicht überzeugen können, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen Fahrzeuge regelmäßig sowohl im Normalgeschäft als auch im Unfallersatzgeschäft eingesetzt werden und deshalb eine Zuordnung des Auslastungsrisikos zum einen oder anderen Geschäftsfeld kaum mehr möglich sei. Dies ist eine Wertung des Tatrichters im Einzelfall, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

[20] Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht eine Erhöhung wegen eines höheren Forderungs- und Mietausfallrisikos abgelehnt hat, weil dieses Zusatzrisiko im Wesentlichen auf Forderungsausfälle wegen verstärkter Auseinandersetzungen zwischen Autovermietern und Versicherungsgesellschaften über die Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten zurückzuführen sei. Die hierfür gegebene Begründung, von Versicherungsseite wegen regelmäßig überhöhter Unfallersatztarife berechtigterweise vorgenommene Kürzungen dürften nicht zu einer Erhöhung der Unfallersatztarife führen, ist jedenfalls vertretbar, zumal von Klägerseite nicht dargelegt worden ist, in welchem Umfang Mietausfälle ggf. auf unberechtigten Rechnungskürzungen beruhen.

[21] B. Anschlussrevision des Beklagten:

[22] 1. Dass das Berufungsgericht den "Normaltarif" auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-Mietpreisspiegels" 2003 ermittelt hat, begegnet unter den vorliegenden Umständen keinen durchgreifenden Bedenken. Dies hält sich - wie oben ausgeführt - im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO und der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06 -, a.a.O., 1144 f.; v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06 -, a.a.O.; v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07, VersR 2008, 699, 700, jeweils m.w.N.). Soweit die Anschlussrevision geltend macht, es sei unstreitig gewesen, dass der deutlich unter dem durchschnittlichen Mietwagentarif laut "Schwacke-Mietpreisspiegel" liegende "Opel-Rent-Tarif" als Normaltarif gelten solle, entspricht dies nicht dem Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen, auf den die Anschlussrevision und die Erwiderung des Klägers verweisen. Dieser bestätigt vielmehr die auch auf den Ausführungen des Sachverständigen beruhende Auffassung des Berufungsgerichts, dass nur ein sog. Werkstatttarif als Werbeangebot für die Werkstattkunden vorhanden war, der nicht als "Normaltarif" zu berücksichtigen sei.

[23] Der Anknüpfung an den "Schwacke-Mietpreisspiegel" steht auch nicht der Einwand der Anschlussrevision entgegen, die Verfasser des eurotax-Schwacke-Automietpreisspiegels hätten ihren Ermittlungen lediglich eine Sammlung schriftlicher Angebotspreise der Autovermieter zugrunde gelegt und nicht auf Ergebnisse von Marktuntersuchungen über die tatsächlich gezahlten Mietpreise abgestellt. Wie der Senat inzwischen entschieden hat, ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (vgl. BGH BGHZ 161, 151, 154 ff.), nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2008 - VI ZR 164/07 -, a.a.O.). Im Streitfall liegt ein solcher Tatsachenvortrag nicht vor.

[24] 2. Die Anschlussrevision hat auch keinen Erfolg, soweit sie auf die Senatsrechtsprechung verweist, dass die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kosten erforderlich gewesen sei, offen bleiben könne, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne Weiteres zur Verfügung gestanden hat, und in diesem Zusammenhang meint, die Beweislast dafür, dass ihm kein anderer Tarif zugänglich gewesen sei, trage der Geschädigte.

[25] Im letzten Punkt verkennt die Anschlussrevision die Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach kann die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer "Normaltarif" in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2006 - VI ZR 32/05, VersR 2006, 564, 565; v. 4.7.2006 - VI ZR 237/05, VersR 2006, 1425, 1426; v. 23.1.2007 - VI ZR 18/06, VersR 2007, 515, 516; v. 6.3.2007 - VI ZR 36/06, VersR 2007, 706, 707; v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06 -, a.a.O., 1145; v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06 -, a.a.O.). Ebenso kann diese Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum "Normaltarif" nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den "Normaltarif" übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2006 - VI ZR 161/05, VersR 2006, 1273, 1274; v. 4.7.2006 - VI ZR 237/05 -, a.a.O.; v. 12.6.2007 - VI ZR 161/06 -, a.a.O.; v. 26.6.2007 - VI ZR 163/06 -, a.a.O.).

[26] Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass dem Geschädigten ein Unfallersatztarif grundsätzlich in der Höhe zu ersetzen ist, die der Tatrichter zur Schadensbehebung als erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ansieht. Nur ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer "Normaltarif" in der konkreten Situation "ohne Weiteres" zugänglich war (vgl. etwa BGH, Urt. v. 6.3.2007 - VI ZR 36/06, VersR 2007, 706, 707). Dies hat nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darzulegen und zu beweisen. Hierfür reicht der Hinweis der Anschlussrevision auf den "Opel-Rent-Tarif" nicht aus. Entgegen ihrer Darstellung war keineswegs unstreitig, dass der Normaltarif nach dem "Opel-Rent-Tarif" zu berechnen sei. Nach dem Vortrag des Klägers wurde dieser Tarif von der Vermieterfirma überhaupt nicht angeboten, sondern nur in Ausnahmefällen für Stammkunden, die ihr Fahrzeug zur Reparatur bzw. Inspektion überließen, ein sog. Werkstatttarif. Bei dieser Sachlage fehlt es an einer tragfähigen Feststellung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger ein günstigerer Tarif ohne Weiteres zugänglich gewesen wäre, so dass der Beklagte hierfür beweisfällig geblieben ist.

[27] 3. Die Überzeugungsbildung des Tatrichters ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil sich das Berufungsurteil nicht ausdrücklich mit den - von der Wertung des Gerichtssachverständigen teilweise abweichenden - Ausführungen in dem vom Beklagten vorgelegten Gutachten des Sachverständigen T. auseinandergesetzt hat, das dieser in einem anderen Verfahren erstattet hat. Das Berufungsgericht hat diese Ausführungen beachtet und dazu eine ergänzende Stellungnahme des Gerichtssachverständigen eingeholt und ihn zusätzlich angehört. Zudem hat der Gerichtssachverständige in seinem Gutachten die verschiedenen in der Fachliteratur vertretenen Ansichten dargestellt und sich nach Überprüfung der einzelnen Risikofaktoren eine eigene Auffassung gebildet. Unter diesen Umständen ist es im Rahmen des § 287 ZPO aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht seine eigene Würdigung auf der Grundlage der Ausführungen des Gerichtssachverständigen vorgenommen hat.

[28] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2030403

NJW 2008, 2910

BGHR 2008, 1161

EBE/BGH 2008

DAR 2008, 643

DAR 2009, 311

MDR 2008, 1154

NZV 2009, 27

VRS 2008, 241

VersR 2008, 1370

ZfS 2008, 622

GuT 2009, 130

NJW-Spezial 2008, 585

PA 2009, 55

RÜ 2009, 1

SVR 2008, 461

SVR 2009, 259

VRA 2008, 163

VRR 2008, 383

ZGS 2008, 366

r+s 2008, 485

Verkehrsjurist 2008, 10

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