Leitsatz (amtlich)

In einem vom Besteller gegen den Werkunternehmer wegen Mängeln der Werkleistung geführten Bauprozess sind die Kosten für eine komplette Prozessbegleitung der klagenden Partei durch einen Privatgutachter, die über die Ausarbeitung einzelner schriftlicher Stellungnahmen hinaus u.a. die Durchführung diverser Besprechungstermine mit der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten, die Erstellung erläuternder Pläne und Übersichten sowie vergleichender Gegenüberstellungen von Äußerungen der Gerichtsgutachter, die inhaltliche Überarbeitung von Anwaltsschriftsätzen sowie die - jeweils nicht gerichtlich angeordnete - Teilnahme an den vom Gericht sowie dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen anberaumten Verhandlungs- und Ortsterminen umfasst, jedenfalls im Regelfall nicht erforderlich i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (anschluss an OLG Hamm NJW-RR 1996, 830).

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 19.10.2009; Aktenzeichen 21 O 598/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Köln vom 19.10.2009 (21 O 598/04) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des am 4.2.2009 vor dem OLG Köln (11 U 167/07) geschlossen Vergleichs der Parteien sind von der Beklagten 12.078,06 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20.2.2009 an den Kläger zu erstatten.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 67 % und die Beklagte 33 %. Eine Gebühr für die Beschwerde ist nicht zu erheben.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 6.838,47 EUR

 

Gründe

Die gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insb. fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist überwiegend begründet. Die Entscheidung der Rechtspflegerin, die vom Kläger angemeldeten Kosten des Privatgutachters - nach Abzug unspezifizierter Nebenkosten - in ansonsten voller Höhe von 11.397,45 EUR bei der Kostenausgleichung zu berücksichtigen, kann keinen Bestand haben. Bei zutreffender Anwendung des insoweit für die Prüfung der Erstattungsfähigkeit zugrunde zu legenden Maßstabs des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die Privatgutachterkosten vielmehr lediglich zu einem erheblich geringeren Teil, nämlich nur im Umfang von 3.719,30 EUR berücksichtigungsfähig.

1. Zu den gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erstattungsfähigen Kosten des Rechtsstreits gehören grundsätzlich auch die dem Gegner erwachsenen Kosten, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Prozesskosten im Sinne der genannten Bestimmung sind dabei nicht nur die im Prozess selbst entstandenen Kosten. Vielmehr können auch solche Aufwendungen unter den Begriff der Prozesskosten fallen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Rechtsstreit vor- oder außerprozessual angefallen sind. Ob in diesem Rahmen die Beauftragung eines Privatsachverständigen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig ist, beurteilt sich im Ausgangspunkt danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei diese Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH NJW 2006, 2415, 2416). Dabei sind die Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine vorprozessuale oder - wie hier - um eine prozessbegleitende Sachverständigentätigkeit handelt:

Die Kosten für ein im Laufe des Rechtsstreits auf Veranlassung einer Partei erstelltes Privatgutachten sind in aller Regel nicht erstattungsfähig. Noch mehr nämlich als für eine vorprozessuale Gutachtertätigkeit gilt während eines laufenden Rechtsstreits, dass es - von seltenen Ausnahmen abgesehen - Aufgabe des Gerichts ist, streitige Tatsachen erforderlichenfalls durch Einholung von Sachverständigengutachten im Wege der Beweisaufnahme zu klären. Die Kosten eines prozessbegleitend privat eingeholten Sachverständigengutachtens sind deshalb lediglich ausnahmsweise erstattungsfähig, wenn das Gutachten prozessbezogen ist und zudem die eigene Sachkunde der Partei für ein klares Urteil in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreicht, so dass sie sich berechtigterweise außer Stande sieht, ihrer Darlegungslast zu genügen, einen gebotenen Beweis anzutreten oder Angriffe des Gegners sachkundig abzuwehren. Eine solche Ausnahme ist grundsätzlich nur im Falle unabweisbarer Notwendigkeit gegeben, die nach ständiger Rechtsprechung etwa dann anzunehmen sein kann, wenn im Einzelfall einer Partei besondere technische, mathematische oder sonstige fachliche Kenntnisse der Gegenpartei fehlen (Gesichtspunkt der "Waffengleichheit") oder wenn es gilt, ein vorliegendes privates oder gerichtliches Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen, zu erschüttern oder dem gerichtlich bestellten Sachverständigen bei der Erläuterung des Gutachtens sachdienliche Vorhalte zu machen, ohne...

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