Leitsatz (amtlich)

Bei schuldhaft falscher Anschrift der Beklagtenpartei in der Klageschrift kann bei Wahrung einer Ausschlussfrist auch ein Zeitraum von zwei Wochen einer Wertung einer Klagezustellung als "demnächst" entgegenstehen.

 

Normenkette

ZPO § 167

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.08.2010; Aktenzeichen 13 U 119/08)

LG Darmstadt (Urteil vom 28.04.2008; Aktenzeichen 22 O 530/07)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.4.2008 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des zweiten Rechtszuges einschließlich der durch die Nebenintervention der Streithelferin verursachten Kosten zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 439.222,85 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Mit dem Vortrag, die Beklagten hätten es zu verantworten, dass Transportgut (Medikamentenwirkstoff) auf dem Zielflughafen Bejing unsachgemäß gelagert worden sei, berühmt sich die Klägerin aufgrund übergegangenen Rechts eines Schadensersatzanspruchs. Mit am 28.4.2008 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat die 7. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch zu.

Gegen das vorbezeichnete Urteil hat die Klägerin form- und fristwahrend Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel begründet. Mit einstimmig gefasstem Beschluss vom 17.8.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Senat die Parteien auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung im Beschlussweg gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Klägerin, Beklagte und deren Streithelferin haben zu dem Hinweisbeschluss Stellung genommen.

Der Senat ist in seiner heutigen Beratung - auch unter Berücksichtigung der zum Hinweisbeschluss vorgetragenen Argumente - erneut einstimmig zu der Auffassung gelangt, dass die Berufung sich als unbegründet darstellt und sie im Beschlussweg zurückgewiesen werden kann. Der Senat vermag sich im Besonderen nicht die Auffassung zu eigen zu machen, dass vorliegend aus verfassungsrechtlichen Gründen eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und die Revision gegen seine Entscheidung zuzulassen ist.

§ 522 Abs. 2 ZPO beschränkt die Möglichkeit, eine aus Sicht des Berufungsgerichts unbegründete Berufung im Beschlussweg zurückzuweisen, auf die Fälle, in denen die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung nicht erfordert. Zutreffend weist die Klägerin in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass diese Norm im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Rechtsschutzes gesehen werden muss. Entgegen der klägerischen Rechtsauffassung gebietet die dort in Bezug genommene Entscheidung des BVerfG vom 4.11.2008 zu Az. 1 BvR 2587/06 (NJW 2009, 572) indessen nicht, die vorliegende Sache mündlich zu verhandeln. Das BVerfG hat dort u.a. ausgeführt:

Effektiver Rechtsschutz in diesem Sinne umfasst dabei nicht nur das Recht auf Zugang zu den Gerichten sowie auf eine verbindliche Entscheidung durch den Richter aufgrund einer grundsätzlich umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung des Streitgegenstandes (vgl. BVerfGE 85, 337 [345]; 97, 169 [185]). Das Gebot effektiven Rechtsschutzes beeinflusst auch die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen, die für die Eröffnung eines Rechtswegs und die Beschreitung eines Instanzenzugs von Bedeutung sind. Es begründet zwar keinen Anspruch auf eine weitere Instanz; die Entscheidung über den Umfang des Rechtsmittelzuges bleibt vielmehr dem Gesetzgeber überlassen (vgl. BVerfGE 54, 277 [291]; 89, 381 [390]; 107, 395 [401 f.]). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordnung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 69, 381 [385]; 74, 228 [234]; 77, 275 [284]).

Diese Grundsätze finden auch auf den einstimmigen Beschluss des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO Anwendung, da er gem. § 522 Abs. 3 ZPO nicht anfechtbar ist und damit den Weg zur Revision versperrt (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Zweiten OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.8.2002 - 2 BvR 1108/02 -, NJW 2003, 281; 3. Kammer des Ersten OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.4.2005 - 1 BvR 1924/04 -, NJW 2005, 1931 [1932 f.]; 3. Kammer des Zweiten OLG Frankfurt, Beschl. v. 30.6.2005 - 2 BvR 1664/04; WM 2005, 1577 [1578 f.]; 2. Kammer des Ersten OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.5.2007 - 1 BvR 624/03 -, NJW 2007, 3118 [3119 ff.]; 2. Kammer des Ersten OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.10.2007 - 1 BvR 1300/06 -, NJW 2008, 504 [505]). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine den Zugang zur Revision erschwerende Auslegung und Anwendung des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv...

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