Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Mehrvertretungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1008 bei Vertretung von zwei Antragstellern aus unterschiedlichen Schutzrechten

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Ansatz der Erhöhungsgebühr nach RVG-VV Nr. 1008 ist jedenfalls dann kein Raum, wenn der Bevollmächtigte zwar für die von ihm vertretenen Antragsteller in derselben Angelegenheit tätig geworden ist, jedoch keine Identität des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (hier: Vertretung in Unterlassungsantrag aus zwei unterschiedlichen Schutzrechten - Unionsmarke und Unternehmenskennzeichenrecht).

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 1008

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.05.2017; Aktenzeichen 3-8 O 53/17)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 450,90 EUR.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

 

Gründe

1. Die Antragstellerinnen wenden sich allein dagegen, dass das Landgericht die beantragte Mehrvertretungsgebühr (VV Nr. 1008 RVG) abgesetzt hat. Sie stehen auf dem Standpunkt, wenn - wie hier - zwei Antragsteller jeweils einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen einen Antragsgegner geltend machen, läge nur eine Angelegenheit nach § 15 II RVG vor. Die Voraussetzungen für die Mehrvertretungsgebühr seien damit erfüllt.

2. Nach VV Nr. 1008 RVG erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person, wenn der gemeinsame Prozessbevollmächtigte für mehrere Auftraggeber in "derselben Angelegenheit" tätig wird. Dies gilt bei Wertgebühren nur, soweit der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit "derselbe" ist. Es ist in der Rechtsprechung umstritten, ob diese Voraussetzungen bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen "von" Streitgenossen oder "gegenüber" Streitgenossen gegeben sind.

a) Im Presserecht wird vertreten, dass die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen verschiedener Gläubiger, die durch ein- und dieselbe rechtsverletzende Handlung entstanden sind (Verletzung von Persönlichkeitsrechten mehrerer Personen durch eine Presseberichterstattung), als eine Angelegenheit zu behandeln sind. Ein einheitlicher Auftrag könne nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, wobei gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden müsse, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder ob er für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte (BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - VI ZR 64/10 -, Rn. 14, juris). Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass den Klägern jeweils eigene höchstpersönliche Unterlassungsansprüche zustehen. Denn eine Angelegenheit könne mehrere Gegenstände umfassen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 - VI ZR 73/10 -, Rn. 13, juris).

b) Eine ähnliche Auffassung vertritt das OLG Düsseldorf im Patentrecht. Der Begriff "derselben Angelegenheit" sei nicht notwendigerweise identisch mit dem prozessualen Streitgegenstandsbegriff (vgl. Traub, WRP 1999, 79,81). Er sei vielmehr aus dem Zweck dieser Vorschrift zu bestimmen, den bei Mehrfachvertretung erhöhten Arbeitsaufwand und die erhöhte Haftungs-Verantwortung des Rechtsanwalts abzugelten. Soweit der Klage ein einheitlicher Lebensvorgang zugrunde liege, der wie bei einer Gesamtschuld zu einer Erweiterung der anwaltlichen Tätigkeit führe, sei diese durch die pauschale Erhöhungsgebühr abzugelten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Januar 2007 - I-2 W 55/06 -, Rn. 3, juris; a.A. für das Wettbewerbsrecht: OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 825, 826)

c) Nach anderer Auffassung sind Unterlassungsansprüche mehrerer Gläubiger aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur als selbstständige Klagen zu betrachten, mit der Folge, dass keine Mehrvertretungsgebühren nach Nr. 1008 RVG-VV festzusetzen sind (OLG Koblenz, Beschluss vom 27. September 2011 - 14 W 532/11 -, juris; AG Hamburg, Urteil vom 08. April 2008 - 36A C 233/07 -, juris). Auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats fallen Erhöhungsgebühren im Allgemeinen nicht an, wenn gleichlautende Unterlassungsansprüche von Streitgenossen oder gegenüber Streitgenossen geltend gemacht werden (vgl. Senat, Beschl. v. 29.6.2009 - 6 W 85/09 - m.w.N.; BGH, Beschl. v. 15.4.2008 - X ZB 12/06, Tz. 8), da die gleichlautenden Unterlassungsanträge regelmäßig mehrere Gegenstände i.S.v. § 22 I RVG betreffen, die in dem festgesetzten Gesamtstreitwert gesondert, aber addiert enthalten sind (Senat, Beschl. v. 16.12.2009, 6 W 199/09).

d) Ob im Hinblick auf den skizzierten Meinungsstand in Zukunft an der bisherigen Senatsrechtsprechung in allen Fällen festzuhalten ist, kann vorliegend offenbleiben. Im Streitfall liegen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Erhöhungsgebühr im Sinne von VV Nr. 1008 RVG nicht vor. Der Antragstellervertreter ist zwar für die von ihm vertretenen Antragstellerinnen in derselben Angelegenheit tätig geworden, da es hierfür regelmäßig schon genügt, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitli...

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