Leitsatz (amtlich)

Ein Richter, der einen begründeten Terminsverlegungsantrag unter Hinweis auf die Möglichkeit der Bestellung eines Unterbevollmächtigten in einer Bausache ablehnt, obwohl der nachsuchende Prozessbevollmächtigte nicht in einer Sozietät verbunden ist, und über das daraufhin gestellte Ablehnungsgesuch noch selbst entscheidet, ist als befangen i.S.d. § 42 ZPO anzusehen.

 

Normenkette

ZPO § 42

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 13.10.2005; Aktenzeichen 4 O 355/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 13.10.2005 aufgehoben.

Das Gesuch der Beklagten, den Erkenntnisrichter - Richter am LG X. - wegen Besorgnis der Befangenheit für befangen zu erklären, ist begründet.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 17.105,27 EUR.

 

Gründe

Im vorliegenden Rechtsstreit berühmt sich der Kläger gegen die beiden Beklagten - Geschäftsführerin und behaupteter faktischer Geschäftsführer einer in Insolvenz geratenen GmbH - unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 5, 6 GSB eines Schadensersatzanspruches i.H.v. 17.105,34 EUR. Der Klageschriftsatz nebst Anlagen umfasst 52 Blatt.

Der Einzelrichter des LG hat mit Verfügung vom 21.7.2005 (Bl. 53 R d.A.) das schriftliche Vorverfahren angeordnet und den Beklagten eine Frist zur Klageerwiderung von vier Wochen gesetzt.

Mit Schriftsatz vom 8.8.2005 hat sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu den Akten legitimiert (Bl. 55 d.A.) und den Antrag angekündigt, dass die Klage abgewiesen werden solle. Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt hat daraufhin zunächst Wiedervorlage auf den 1.9.2005 und am 6. September Wiedervorlage auf den 15.9.2005 verfügt (Bl. 56 R d.A.).

Mit Fax vom 5.9.2005, bei Gericht am gleichen Tage um 12.28 Uhr eingegangen (Bl. 57 d.A.), hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen "starker anderweitiger Arbeitsbelastung" und im Hinblick auf "eine außerordentlich komplexe Angelegenheit, die zeitraubende Vorarbeiten (z.B. Akteneinsichtnahme, Sichtung und Erfassung von umfangreichen Unterlagen etc.)", um eine Erstreckung der Klageerwiderungsfrist bis 30.9.2005 nachgesucht.

Der Klägervertreter hat mit dem Erkenntnisrichter am 7.9.2005 vorgelegten Schriftsatz (Bl. 59 d.A.) um Mitteilung gebeten, ob zwischenzeitlich eine Verteidigungsanzeige der Beklagten vorliege. Der Erkenntnisrichter hat hieraufhin und nach der Aktenfoliierung auch nach Einheftung des vorstehend in Bezug genommenen Faxschreibens des Beklagtenvertreters Termin zur Güteverhandlung und zur anschließenden mündlichen Verhandlung auf den 13.10.2005 terminiert. Der Originalschriftsatz des Beklagtenvertreters, mit welchem um eine Fristerstreckung ersucht wird, ist dem Richter am 9.9.2005 vorgelegt worden (Bl. 60 d.A.). Mit Beschluss vom 12.9.2005 hat der Richter im Hinblick auf die Terminierung eine Fristverlängerung abgelehnt (Bl. 61 d.A.).

Unter Bezugnahme auf ein von ihrem Prozessbevollmächtigten mit dem Richter am 10.10.2005 geführtes Telefongespräch, in welchem ihr Prozessbevollmächtigter auf eine Terminsüberschneidung hingewiesen habe - anderweitiger Termin vor dem OLG Frankfurt am gleichen Tage, terminiert mit Verfügung vom 2.6.2005 - und der Erstrichter "kategorisch" eine Terminsverlegung abgelehnt und auf die Möglichkeit verwiesen habe, "einen Kollegen in Untervollmacht auftreten zu lassen" (vgl. Bl. 67 d.A.), haben die Beklagten mit bei Gericht am 10.10.2005 eingegangenem Schriftsatz den mit der Rechtssache befassten Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der weiter gehenden Begründung wegen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 10.10.2005 (Bl. 87 ff. d.A.) verwiesen.

Der abgelehnte Einzelrichter hat mit Beschl. v. 11.10.2005 (Bl. 72 f. d.A.), auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird, den Ablehnungsantrag des "Beklagtenvertreters" vom 10.10.2005 als unzulässig verworfen, weil der Ablehnungsantrag offensichtlich rechtsmissbräuchlich sei. Dem Antrag läge nämlich, so führt der Richter aus, "ersichtlich einzig der - verfahrensfremde - Zweck, angesichts bisher trotz Fristablauf nicht vorliegender Klageerwiderung (und Ablehnung nunmehr eines Antrages auch auf kurzfristige Terminsverlegung,) den Verhandlungstermin am 13.10.2005 zu vereiteln" zugrunde.

Mit bei Gericht am 12.10.2005 eingegangenem und dem Richter am 13.10.2005 vorgelegten Schriftsatz hat der Beklagtenvertreter auf eine lebensbedrohende Erkrankung des Beklagten zu 2) hingewiesen und Ausführungen zur Sache gemacht. Zugleich ist erneut ein Befangenheitsgesuch angebracht worden, dessen Begründung wegen auf den Inhalt des vorbezeichneten Schriftsatzes Bezug genommen wird (Bl. 84 ff. d.A.). Im Wesentlichen stützt sich das Befangenheitsgesuch auf die Erwägung, dass der Richter ihrem, der Beklagten, Befangenheitsantrag verfahrensfremde Zwecke unterstelle und gegen sie "haltlose Angriffe" mache. Auch wiesen sie, die Beklagten, im Besonderen auf das Ansinnen des Richters hin, dass i...

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