Leitsatz (amtlich)

Bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit einem sog. Bodykit umgerüsteten, unfallbeschädigten Serienfahrzeuges (hier: Mercedes GLE 350 D Coupe) ist grundsätzlich der Neuwert einer Bodykitausrüstung (hier: 44.050 EUR) auch dann nicht heranzuziehen, wenn ein Gebrauchtwagenmarkt nicht existiert und eine zeitwertgerechte Ersatzbeschaffung des Bodykits nicht möglich ist. Der Anspruch des Geschädigten auf Ausgleich seines Fahrzeugschadens ist dann vielmehr regelmäßig auf den Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für das Serienfahrzeug und gegebenenfalls einer durch die Umrüstung herbeigeführten Werterhöhung abzüglich des Restwertes beschränkt.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 251 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 2 O 14/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Kleve vom 19.08.2020 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beklagten und der Berufung des Klägers abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 40 % und die Beklagte 60 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger wegen des Freistellungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- EUR, im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. pp.

II. Die Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet, das Rechtsmittel des Klägers bleibt ohne Erfolg. Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gemäß §§ 7, 18 StVG, 115 VVG lediglich eine Entschädigung in Höhe von 48.846,22 EUR nebst der Erstattung der Gutachterkosten und der Kostenpauschale sowie Zinsen in Höhe von 2.165,59 EUR zu. Die sich daraus ergebende Gesamtforderung von 53.930,15 EUR (51.764,56 + 2.165,59) ist durch die Zahlungen der Beklagten erloschen.

1. Der Kläger kann nicht den Ersatz der vom Sachverständigen geschätzten Nettoreparaturkosten beanspruchen. Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist, dass entweder der unfallbedingte Fahrzeugschaden (Reparaturkosten zuzüglich eines etwaigen Minderwertes) unterhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) liegt oder der Fahrzeugschaden zwar oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes (aber unterhalb des Wiederbeschaffungswertes) liegt und der Geschädigte sein Fahrzeug - gegebenenfalls unrepariert - in einem verkehrssicheren Zustand mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiter nutzt (BGH, NJW 2006, 2179). Ersatz von Reparaturkosten - bis zu 30% über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs - können nur verlangt werden, wenn die Reparatur fachgerecht und in einem Umfang ausgeführt wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Schätzung gemacht hat (BGHZ, 162, 161).

Keiner dieser Fälle ist vorliegend gegeben.

Der unfallbedingte Fahrzeugschaden (hier nur die Reparaturkosten) beträgt netto 82.267,48 EUR. Als Aufwand für die Wiederbeschaffung können nicht 72.417,65 EUR netto (WBW netto unter Einbeziehung einer neuwertigen Bodykit-Ausstattung abzüglich Restwert) angesetzt werden. Unter den gegebenen Umständen ist vielmehr ein Betrag von lediglich 48.846,22 EUR (Wiederbeschaffungswert: Serienfahrzeug 52.100,84 EUR netto + Werterhöhung durch Bodykitausstattung 13.445,38 EUR netto = 65.546,22 EUR netto abzüglich Restwert 16.700,- EUR) anzusetzen; auf diesen Betrag ist der Anspruch des Klägers auf Ausgleich seines Fahrzeugschadens beschränkt (§ 251 BGB).

2. Maßgebliche Bezugsgröße bei der Schadensberechnung ist der Wiederbeschaffungswert. Dies ist der nach den Verhältnissen auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu ermittelnde Preis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, den der Geschädigte aufwenden muss, um von einem seriösen Händler einen dem Unfallfahrzeug entsprechenden Ersatzwagen zu erwerben (BGH, NJW 2017, 2401; 1978, 1373). Dabei kommt es allein auf eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Ersatzbeschaffung unter objektiven Gesichtspunkten an. Entscheidend ist daher nicht, wie gerade der Geschädigte den Wert seines alten und den Wert eines Ersatzfahrzeugs ansetzt, sondern ob eine Schätzung unter objektiven Wertmaßstäben zur Feststellung einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit führt (BGH, NJW 1966, 1454). Auf bestimmte Ausstattungsmerkmale und Sonderfunktionen kann es daher grundsätzlich nur ankommen, soweit sie auf dem Markt objektiv werterhöhend wirken. Auf...

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