Leitsatz (amtlich)

Zur Abrechenbarkeit von Reparaturkosten, wenn das reparierte Fahrzeugs vor Ablauf der 6-Monatsfrist gepfändet und versteigert wird.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 251

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 2 O 49/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.10.2018 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichterin - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Das Berufungsurteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung von Reparaturkosten in Anspruch.

Am 12.04.2016 verursachte eine Versicherungsnehmerin der Beklagten einen Unfall, bei dem der VW Golf des Zeugen ... beschädigt wurde. Die grundsätzliche Haftung der Beklagten ist unstreitig.

Der Zeuge ... begab sich zum Zwecke der Reparatur zur Klägerin. Die Klägerin beauftragte das KFZ-Sachverständigenbüro ... mit der Schadenskalkulation. In dem Schadensgutachten vom 15.04.2016 gelangte der Gutachter zu dem Ergebnis, dass voraussichtlich Reparaturkosten in Höhe von 11.827,05 EUR brutto (bzw. 9.938,70 EUR netto) anfallen würden. Der Wiederbeschaffungswert betrage (mit Mehrwertsteuer) 9.900,00 EUR, der Restwert inklusive Mehrwertsteuer 4.000,00 EUR.

Der Zeuge ... ließ das Fahrzeug bei der Klägerin sach- und fachgerecht reparieren. Er trat seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Nach Abschluss der Reparatur am 27.04.2016 berechnete die Klägerin dem Zeugen ... (im Folgenden: Zedenten) hierfür 11.912,27 EUR.

Die Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 26.04.2016 auf Totalschadensbasis abgerechnet und zahlte auf den Fahrzeugschaden 4.059,33 EUR (Wiederbeschaffungswert von netto 8.319,33 EUR abzüglich eines Restwerts von 4.260,00 EUR).

Der damalige Verfahrensbevollmächtigte des Zedenten übersandte der Beklagten die Rechnung über die Reparaturkosten und verlangte mit Schreiben vom 03.05.2016 die Zahlung von 7.852,94 EUR als Differenz der Reparaturkosten i. H. v. 11.912,27 EUR und der von der Beklagten hinsichtlich des Fahrzeugschadens gezahlten 4.059,33 EUR.

Am 12.05.2016 erteilte die Stadt ... (Finanzbuchhaltung als Vollstreckungsbehörde) wegen eines Anspruches gegen den Zedenten in Höhe von 727,20 EUR einen Pfändungsauftrag. Dem zu Grunde lag eine Forderung aus einem Bußgeldbescheid vom 27.01.2016. Der VW Golf des Zedenten wurde gepfändet und am 24.05.2016 versteigert.

Die Klägerin hat behauptet, der Zedent habe nicht mit einer Vollstreckung in seinen VW Golf gerechnet, sonst hätte er den PKW nicht reparieren lassen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass das Integritätsinteresse des Zedenten als Anspruchsvoraussetzung hier nicht durch eine Weiternutzung des VW Golfs von sechs Monaten dokumentiert werden müsse. Denn der Zedent habe seinen VW Golf durch die Zwangsversteigerung unfreiwillig verloren.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.852,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, dass das Integritätsinteresse des Zedenten nicht nachgewiesen sei. Denn dieser habe seinen VW Golf "de facto" vor Ablauf der weiteren Nutzungszeit veräußert. Die Vollstreckung sei wegen eines relativ geringen Anspruches erfolgt, den der Zedent zur Abwendung der Zwangsvollstreckung hätte zahlen können. Dadurch, dass er dies nicht getan habe, habe er dokumentiert, dass er eine weitere Nutzung des Fahrzeugs nicht beabsichtigt habe.

Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben und lediglich Verzugszinsen ab einem späteren Zeitpunkt zugesprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin der Anspruch aus §§ 7 StVG, 115 VVG, 398 BGB zustehe. Die Reparaturkosten überstiegen den Wiederbeschaffungswert, erreichten allerdings nicht 130 % des Wiederbeschaffungswertes. Danach sei ein Ersatz der Reparaturkosten nur gerechtfertigt, wenn ein besonderes Integritätsinteresse des Geschädigten, d. h. ein nachhaltiges Interesse an der Weiternutzung seines Fahrzeugs, bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei im Regelfall ein Zeitraum von sechs Monaten, innerhalb dessen der Geschädigte das Fahrzeug weiternutze, erforderlich, aber auch ausreichend. Es seien aber auch Gründe denkbar, in denen die Fahrzeugnutzung vorher eingestellt werde. Durch die Pfändung und Versteigerung habe der Zedent seinen VW Golf unfreiwillig verloren. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei Erteilung des Reparaturauftrags und der Vorlage der Reparaturrechnung nicht den Willen gehabt habe, den VW Golf weiter zu nutzen. Selbst unter der Annahme, der Zedent habe aufgrund einer Vielzahl von Mahnungen gewusst, dass ein Anspruch der Stadt ... bestehe, habe er im April und bei Geltendmachung des Anspruchs mit Schreiben vom 03.05.2016 nicht von einer drohenden Pfändung des VW Golfs ausgehen müssen. Der Zedent habe auch nich...

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