Leitsatz (amtlich)

1. Die Vertretung von Eheleuten in Bezug auf eine zutreffende Scheidungsfolgenvereinbarung kann gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gem. § 43a BRAO verstoßen. Denn die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhängigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenen Mandanten verpflichteten Rechtsanwalt voraus (Anschluss an BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - IX ZR 241/14, Rn. 6).

2. Ein Verstoß gegen die Vertretung widerstreitender Interessen führt zur Nichtigkeit des Anwaltsdienstvertrages gem. § 134 BGB, unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Rechtsanwalts. Dies kann, wenn der Interessengegensatz bereits bei der ersten Entgegennahme der Information zutage tritt, zum Wegfall des Honoraranspruchs (mit Ausnahme einer etwaigen Erstberatungsgebühr nach §§ 34, 7 Abs. 2 RVG) führen.

3. Der Hinweis, man könne nur eine Partei vertreten, entbindet nicht von einer weiteren Aufklärung über die Kostenfolgen (Anschluss an BGH, Urteil vom 19. September 2013 - IX ZR 322/12, Rn. 12).

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 3 O 118/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Juli 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Beklagte und seine damalige Ehefrau, die Zeugin H, nahmen am 13. Oktober 2015 einen Beratungstermin bei der Klägerin mit dem Ziel der Erörterung eines Ehevertrages in Form einer einvernehmlichen Scheidungsfolgenvereinbarung wahr. An dem Gespräch nahmen für die Klägerin die Rechtsanwälte Dr. B und S teil. Einzelheiten zu den Gesprächsinhalten sind streitig.

Am 18. Januar 2016 übersandte der Beklagte per E-Mail der Klägerin das "Ergebnis unserer Einigung" (Anl. K1, GA 9-10). Eine Kopie dieser E-Mail als Carbon Copy (cc) erhielt die Zeugin H. Rechtsanwalt S wollte im Anschluss daran telefonischen Kontakt mit dem Beklagten aufnehmen. Das Gespräch wurde von der Zeugin H entgegengenommen. Diese erkundigte sich, ob der durch sie beabsichtigte Unterhaltsverzicht für sie nicht nachteilig wäre. Eine Beantwortung dieser Frage lehnte Rechtsanwalt S ab, weil er zunächst mit dem Beklagten sprechen wollte. Mit diesem Verhalten war die Zeugin H, die davon ausging, dass die Klägerin auch ihre Interessen wahrnehmen würde, nicht einverstanden.

Rechtsanwalt S erstellte anschließend für die Klägerin den Entwurf einer Scheidungsfolgenvereinbarung und übersandte diesen am 25. Januar 2016 (Anl. K2, GA 11). Die E-Mail war inhaltlich an beide Eheleute gerichtet ("Sehr geehrte Frau H, sehr geehrter Herr H"), jedoch nur an den Beklagten versandt worden. Darauf antwortete der Beklagte mit E-Mail vom 26. Januar 2016 (Anl. K3, GA 12) und führte unter anderem aus, die Zeugin H habe seit dem letzten Telefonat das Vertrauen in die Klägerin verloren, sie hielte diese für parteiisch und fühlte sich persönlich nicht gut beraten. Der Beklagte beanstandete, dass Rechtsanwalt S die letzte E-Mail nur an ihn und nicht auch an die Zeugin H gesandt habe. Er wolle "absolute Transparenz" und die Trennung von der Zeugin H mit nur "einem Steuerberater/Rechtsanwalt/Notar" erreichen.

Nachfolgend wurde die Klägerin zunächst nicht weiter tätig. Am 7. Juni 2016 meldete sich der Beklagte erneut, sprach mit dem ebenfalls für die Klägerin tätigen Rechtsanwalt K und überließ diesem "ein oder zwei Aktenordner" mit Unterlagen. Am 14. Juni 2016 fand zwischen dem Beklagten und Rechtsanwalt K eine mehrstündige Besprechung statt. Im Anschluss daran übersandte die Klägerin am 16. Juni 2016 eine Vergütungsvereinbarung (GA 35), mit deren Inhalt der Beklagte nicht einverstanden war, woraufhin er das Mandat beendete.

Die am 5. Juli 2016 von der Klägerin übermittelte Honorarrechnung (Anl. WS1, GA 228-229) über den hier streitgegenständlichen Betrag iHv EUR 5.759,00 zahlte der Beklagte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlich verfolgten Anträge wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat nach der Anhörung der Rechtsanwälte Dr. B und S sowie des Beklagten und der Vernehmung der Zeugin H der Klage stattgegeben und sie lediglich wegen eines Teils des Zinsanspruchs abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der Beklagte das Mandat ohne vorherige Klärung der Kostenfrage erteilt und die Erstellung eines Entwurfs einer Scheidungsfolgenvereinbarung beauftragt habe. Der Anwaltsvertrag sei wirksam, ein zur Nichtigkeit führendes Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch die Klägerin läge nicht vor. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (GA 291-306). Gegen dieses hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor und meint, die Klägerin habe ihn und die Zeugin H ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge