Entscheidungsstichwort (Thema)

Auch der Termin zur Verhandlung über den Einspruch ist sorgfältig vorzubereiten - bewusst kurzfristige Terminierung ist verfahrensfehlerhaft

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn nach § 272 Abs. 3 ZPO die mögliche Verhandlung grundsätzlich so früh wie möglich stattfinden soll, ist der Einspruchstermin sachgerecht vorzubereiten, § 272 Abs. 1 ZPO. Für eine willkürliche Abkürzung der "Gnadenfrist" durch kurzfristige Terminierung gibt das Gesetz keinen Raum.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Urteil vom 18.02.2004; Aktenzeichen 10 O 90/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.2.2004 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Duisburg - 10 O 90/03 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Kosten wegen einer Schlägerei am 19.9.2000. Er hatte die Beklagten wegen angeblich zu schnellen Fahrens in der verkehrsberuhigten Straße vor seinem Hause zur Rede gestellt, weil am Fahrbahnrand seine damals 6-jährige Tochter spielte. Dabei kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung, über deren Hergang die Parteien streiten.

Das LG hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hatte zunächst Versäumnisurteil erlassen und dies durch das angefochtene Urteil bestätigt. Bei seiner Entscheidung hat das LG die Angaben des Klägers aus der Klageschrift zugrunde gelegt und das Vorbringen der Beklagten als verspätet zurückgewiesen. Es hat gemeint, auch nach dem Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil bleibe die Verspätung bestehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie halten es für verfahrensfehlerhaft, dass das LG ihren Vortrag nicht berücksichtigt hat und bitten, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, ggf. es aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.

II. Die Berufung hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreites an das LG führt.

Das Berufungsverfahren richtet sich nach den vom 1.1.2002 an geltenden Vorschriften der ZPO, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, nach dem 31.12.2001 geschlossen worden ist, § 26 Nr. 5 EGZPO.

Danach kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO.

Die Beklagten beanstanden zu Recht, dass das LG verfahrensfehlerhaft auf einer falschen Tatsachengrundlage - nämlich ausschließlich gestützt auf den Vortrag des Klägers - entschieden hat.

Es kann dahin stehen, ob das LG den Vortrag des Beklagten zu 2) gem. §§ 296 Abs. 1, 275 Abs. 1 S. 1 ZPO als verspätet zurückweisen durfte oder ob das LG vorbereitende Maßnahmen nach § 273 ZPO noch hätte treffen können und müssen.

Insoweit geht die Ermessensentscheidung voll auf das Berufungsgericht über (Zöller/Gummer, ZPO, § 531 Rz. 9). Entgegen der Auffassung des LG war es allerdings nicht zwingend, vor solchen Maßnahmen noch eine Stellungnahme des Klägers abzuwarten, denn der Kläger hatte den Hergang der Schlägerei in der Klageschrift aus seiner Sicht beschrieben und auch bereits Beweis angetreten.

Jedenfalls war es verfahrensfehlerhaft, dass das LG das nach seiner Ansicht versäumte Vorbringen der Beklagten trotz deren Einspruches nicht berücksichtigt hat.

Gemäß § 342 ZPO wird zwar grundsätzlich der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Auch wenn aber das Säumnisverfahren die vorausgegangene Versäumung von Erklärungsfristen nicht aufhebt und bereits eingetretene Versäumungsfolgen grundsätzlich nicht behebt (Zöller/Herget, ZPO, § 340 Rz. 7 m.N.), ist es der säumig gewordenen Partei gleichwohl nicht verwehrt, das versäumte Vorbringen nachzuholen, damit es im Einspruchstermin noch berücksichtigt wird (Zöller/Greger, ZPO, § 296 Rz. 17 m.N.). Dabei hat das Gericht im Rahmen der Vorbereitung des Einspruchstermines (§§ 273, 341a ZPO) alles Zumutbare zu unternehmen, um eine verzögerungsfreie Berücksichtigung des versäumten Vorbringens zu ermöglichen; unterlässt es dies, scheidet eine Präklusion aus (Zöller/Greger, ZPO, § 296 Rz. 40 m.N.).

So war es hier. Das LG hätte den Vortrag der Beklagten nach deren Einspruch berücksichtigen können und müssen.

Dem steht nicht entgegen, dass das LG, nachdem der Einspruch vom 5.1.2004 bei Gericht am 7.1.2004 eingegangen war, als - nächsten freien, den Umständen nach in Betracht kommenden - Termin bereits den 21.1.2004 bestimmt hat. ...

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