Leitsatz (amtlich)

1. Die für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Eigentümergemeinschaft anerkannten gesteigerten Treuepflichten können es verbieten, einen Anspruch (hier: auf "Räumung und Herausgabe" eines im Aufteilungsplan dem Antragsteller als Sondernutzungsfläche zugewiesenen offenen Kfz-Einstellplatzes, der inzwischen mit einer Garage bebaut ist und von der Gemeinschaft genutzt wird) geltend zu machen, bevor der Versuch einer Verhandlungslösung aus vom Antragsteller nicht zu vertretenden Gründen als gescheitert anzusehen ist.

2. Aus dem Amtsermittlungsgrundsatz sowie der in FG-Verfahren entsprechend geltenden zivilprozessualen Hinweispflicht resultiert die Verpflichtung des FG-Richters, auf sachdienliche Anträge hinzuweisen.

 

Normenkette

BGB § 242; FGG § 12; ZPO § 139

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 19 T 300/07)

AG Neuss (Aktenzeichen 73 II 49/07 WEG)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen die

Beteiligten zu 1 und 2.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert: 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seit April 1992 Miteigentümer eines Grundstücks auf der P. straße in Dormagen, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 5.

Nach der Teilungserklärung ist den Beteiligten zu 1 und 2 das im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrecht an dem "mit E 3 bezeichneten offenen Kraftfahrzeug-Einstellplatz" eingeräumt. Die Beteiligte zu 3 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft.

Auf dem Grundstück der Wohnungseigentumsanlage gab es neben einer Vielzahl anderer Stellplätze und Garagen 19 Stellplätze, die bereits um das Jahr 1990 mit insgesamt 17 Garagen überbaut worden sind. Die Grundrisse der Einzelgaragen entsprechen nicht exakt denen der Stellplätze, sondern sind jeweils etwas breiter, als die Stellplätze es gewesen sind. Der Stellplatz Nr. 3 ist leicht versetzt im Wesentlichen mit der Garage Nr. 73 überbaut. Zumindest ein geringer Teil der Garage Nr. 74, befindet sich ebenfalls auf der ursprünglichen Fläche des Stellplatzes Nr. 3. Die Garage Nr. 73 wird derzeit als Gemeinschaftsgarage der Wohnungseigentümergemeinschaft zum Unterstellen für Geräte durch die Hausmeister genutzt.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben geltend gemacht, sie hätten erst im Zusammenhang mit einem ähnlichen Verfahren (19 T 159/06) im Jahr 2006 erfahren, dass der mit der Garage Nr. 73 überbaute Stellplatz der ihnen eigentlich zugewiesene Stellplatz sei. Sie hätten in all den Jahren einen anderen Stellplatz genutzt, wobei sie geglaubt hätten, an diesem bestehe ihr Sondernutzungsrecht.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt, die Beteiligte zu 3 zu verpflichten, den im Aufteilungsplan mit Nr. 3 bezeichneten Stellplatz E 3 zu räumen und an sie, die Beteiligten zu 1 und 2, herauszugeben.

Die Beteiligte zu 3 hat beantragt, das Gesuch zurückzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Anspruch auf Herausgabe und Räumung sei verwirkt, weil seit dem Erwerb des Miteigentumsanteils bis zur Geltendmachung der Ansprüche mehr als 14 Jahre, seit der Errichtung der Garagen sogar mehr als 17 Jahre, verstrichen seien.

Das AG hat am 7.5.2007 dem Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 entsprochen, weil es einen kollektiven Vertrauensschutz der Eigentümergemeinschaft in ihrem wechselnden Bestand, den Stellplatz der Beteiligten zu 1 und 2 als Gemeinschaftsgarage zu nutzen, nicht gebe und Verwirkung nicht eingetreten sei.

Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie hat insbesondere geltend gemacht, in den Jahren vor dem Bau der Garagen und auch danach seien die Stellplätze und Garagen durch die damalige Verwalterin unabhängig von der Teilungserklärung zugewiesen worden. Im Hinblick auf die über Jahre nicht geltend gemachten Rechte habe man darauf vertraut, dass diese auch künftig nicht mehr geltend gemacht würden. Daher seien die Garagen mit Investitionskosten von 6.000 DM je Garage errichtet worden.

Die Beteiligte zu 3 hat beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie haben ergänzend vorgebracht, vor dem Kauf seien sie von 1978 an Mieter der Wohnung gewesen und hätten diese dann von ihrer Vermieterin erworben. Auch während der Mietzeit hätten sie stets einen anderen Stellplatz genutzt.

Das LG hat am 29.10.2008 auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 den amtsgerichtlichen Beschluss geändert und das Gesuch der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, mit der sie die Änderung des landgerichtlichen Beschlusses und Entscheidung im Sinne ihres Verpflichtungsantrags weiterverfolgen und geltend machen, zur Annahme der Verwirkung ihres Räumungs- und Herausgabeanspruchs fehle es am Umstandsmoment, zumal für die bisherigen Nutzer der Garage ein anderer Stellplatz zur Verfügung stehe.

Die Be...

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