Leitsatz (amtlich)

Die in einer Strukturmaßnahme festgelegte und im gerichtlichen Spruchverfahren zu überprüfende Kompensationsleistung - hier: die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag angebotene Barabfindung - ist nur dann als unangemessen anzusehen, wenn der im Spruchverfahren ermittelte Wert der Aktie mehr als nur geringfügig von dem ursprünglich ermittelten Wert abweicht.

Gelangt der mit der Ermittlung des Unternehmenswerts beauftragte gerichtliche Sachverständige zu einem Wert je Aktie, der lediglich um unter 5 % - hier: um 3,1 % - von dem der Strukturmaßnahme zugrunde gelegten Wert abweicht, kann die Abweichung als geringfügig angesehen werden. Die vorgesehene Kompensation kann sich in diesem Fall als angemessen erweisen, sofern die einzelfallbezogene Abwägung der Gesamtumstände dem nicht entgegensteht.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305; SpruchG § 17; ZPO §§ 287, 295, 404 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 39 O 13/07 (AktE))

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20.02.2018 und unter Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin zu 7) vom 23.02.2018, der Anschlussbeschwerden der Antragstellerinnen zu 4), 6) und des Antragstellers zu 8) vom 23.08.2018 sowie des Antragstellers zu 9) vom 26.09.2018 wird der Beschluss der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 10.01.2018 - 39 O 13/07 (AktE) - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Anträge auf gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Ausgleichszahlung und eines angemessenen Abfindungsbetrags werden zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz einschließlich der Vergütung der gemeinsamen Vertreter trägt die Antragsgegnerin. Diese hat auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller erster Instanz zu tragen, soweit über diese nicht schon rechtskräftig entschieden ist. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.

Der Geschäftswert für beide Instanzen wird auf 200.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Dem Spruchverfahren liegt der am 10.05.2000 beschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und der - nachfolgend in die H. Holding Deutschland GmbH umgewandelten und auf die Antragsgegnerin verschmolzenen - W. AG (W.) zugrunde.

Die W. führte als konzernleitende Holdinggesellschaft eine Vielzahl von national und international ansässigen Unternehmen. Zum Bewertungsstichtag hielt sie unmittelbar bzw. mittelbar Beteiligungen an 42 Unternehmen im In- und Ausland, u.a. in Nord- und Südamerika, Australien und Asien. Unternehmensgegenstand war der Erwerb und die Veräußerung sowie Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, die auf textiler und auf Kunststoffbasis beruhende Roh-, Halbfertig- und Fertigprodukte herstellen, be- und verarbeiten sowie vertreiben. Das Grundkapital betrug 50 Mio. DM und war eingeteilt in 10 Mio. Stückaktien.

Im Dezember 1998 bzw. Anfang 1999 erwarb die Antragsgegnerin durch öffentliches Übernahmeangebot zu einem Preis von 32,50 DM je Aktie zunächst ca. 96 % und in der Folgezeit weitere Anteile an der W., an der sie danach mit insgesamt ca. 98,06 % beteiligt war. Die restlichen 1,94 % der Aktien (ca. 194.000 Stückaktien) befanden sich im Streubesitz.

Mit dem am 22.03.2000 geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unterstellte die W. die Leitung ihrer Gesellschaft der Antragsgegnerin als herrschendem Unternehmen und verpflichtete sich während der Vertragsdauer zur Gewinnabführung an diese. Der Vertrag sah für die außenstehenden Aktionäre in § 4 eine feste Ausgleichszahlung i.H.v. 2,65 DM (1,36 EUR) je Stückaktie und in § 5 das Angebot einer Barabfindung i.H.v. 39 DM (19,94 EUR) je Stückaktie vor (§§ 6, 7). Die Hauptversammlung der W. stimmte dem Unternehmensvertrag am 10.05.2000 zu; er wurde am 18.05.2000 ins Handelsregister eingetragen.

In der Folgezeit haben mehrere Aktionäre Antrag auf gerichtliche Bestimmung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung gestellt. Die Einleitung des Spruchverfahrens ist im Bundesanzeiger vom 29.11.2001 bekannt gemacht worden.

Rund zwei Jahre später, im Juni 2002, hat die Hauptversammlung der W. die Minderheitsaktionäre auf Verlangen der Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung von 23,50 EUR je Stückaktie ausgeschlossen (sog. Squeeze-out). In dem daraufhin eingeleiteten Spruchverfahren hat das Landgericht die gegen die ehemalige W. gerichteten Anträge der Minderheitsaktionäre als unzulässig verworfen; die Höhe der Barabfindung hat es - um 4,5 % - auf 24,55 EUR je Stückaktie erhöht (Beschluss vom 10.01.2018 - 39 O 136/06 (AktE)). Die dagegen gerichteten, wechselseitigen Beschwerden sind bei dem Senat zum Aktenzeichen I-26 W 5/18 (AktE) anhängig.

Den in dem hier streitgegenständlichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festgelegten Kompensationsleistungen liegt ein auf den Bewertungsstichtag 10.05.2000 bezogenes Bewertungsgutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge