Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.08.2010; Aktenzeichen 1 KLs 1/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 3. August 2010 (1 KLs 1/10) aufgehoben.

Die der Dolmetscherin A.-R. aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 0,00 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Dolmetscherin A.-R. war am 22. Februar 2010 Sprachmittlerin eines Gesprächs der Angeklagten S. mit ihrem Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt S., in der Justizvollzugsanstalt Dinslaken. Sie war zu diesem Gespräch nicht durch das Gericht, sondern durch den Pflichtverteidiger hinzugezogen worden. Mit Rechnung vom 13. März 2010 hat die Dolmetscherin für ihre Tätigkeit vom 22. Februar 2010 gegenüber dem Landgericht Düsseldorf einen Betrag in Höhe von 293,33 € geltend gemacht. Am 3. August 2010 hat das Landgericht Düsseldorf die Vergütung der Dolmetscherin gemäß § 4 Abs. 1 JVEG in beantragter Höhe festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht einen unmittelbaren Erstattungsanspruch der Dolmetscherin gegen die Staatskasse angenommen.

Zur Begründung wird zunächst auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors in der Beschwerdeschrift vom 27. August 2010 und der schriftlichen Stellungnahme vom 12. Mai 2010 Bezug genommen. Der Senat schließt sich der dort vertretenen Rechtsauffassung an und bemerkt ergänzend:

Soweit das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 8. Oktober 2010 die Ansicht vertritt, die vom Bezirksrevisor "für zutreffend gehaltene Verfahrensweise (…) dürfte mit Art. 6 Abs. 3 lit. c) und lit. e) EMRK nicht vereinbar sein", vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung räumt Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK dem der Gerichtssprache unkundigen Beschuldigten unabhängig von seiner finanziellen Lage für das gesamte Strafverfahren und damit auch für vorbereitende Gespräche mit einem Verteidiger einen Anspruch auf unentgeltliche Zuziehung eines Dolmetschers ein (BGHSt 46, 178), ohne dass es zuvor eines förmlichen Antragsverfahrens bedarf (BVerfG NJW 2004, 50). Dieser Anspruch folgt verfassungsrechtlich aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Denn dem Beschuldigten, der die Gerichtssprache nicht versteht oder sich nicht in ihr ausdrücken kann, dürfen keine Nachteile im Vergleich zu einem dieser Sprache kundigen Beschuldigten entstehen (vgl. BVerfG NJW 2004, 50; Brandenburgisches OLG StraFo 2005, 415). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Dolmetscher, der von keiner in § 1 JVEG genannten Stelle, sondern vom Verteidiger oder vom Beschuldigten herangezogen worden ist, hierdurch einen unmittelbaren Vergütungsanspruch gegen das Gericht erwirbt. Vielmehr hat der Dolmetscher sich grundsätzlich an seinen Auftraggeber zu halten, wofür auch der durch Art. 7 des Gesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3392) neugefasste § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG spricht, insbesondere der dortige Verweis auf § 670 BGB. Eine Benachteiligung des der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtigen Beschuldigten liegt darin nicht, zumal es diesem oder seinem Verteidiger freisteht, den Dolmetscher zu ermächtigen, den Erstattungsanspruch selbst gegen die Staatskasse geltend zu machen. Unterbleibt - wie hier - eine solche Ermächtigung, können der Verteidiger oder der Beschuldigte - dem Regelungsgehalt des Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK entsprechend - die Erstattung der entstandenen Aufwendungen für den Dolmetscher aus der Staatskasse verlangen. Dabei ist zu bedenken, dass das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 464b StPO) insoweit auch bereits isoliert während des noch laufenden Verfahrens durchgeführt werden kann, da nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Dolmetscherkosten für Verteidigergespräche in jedem Fall zu ersetzen sind (vgl. Brandenburgisches OLG StraFo 2005, 415). Der Einsatz "eigener finanzieller Mittel" ist daher weder für den Verteidiger noch für den Beschuldigten zwingend.

Nach alledem steht der Dolmetscherin A.-R. gegenüber der Landeskasse kein Vergütungsanspruch zu; er war deshalb - wie vom Beschwerdeführer beantragt - auf 0,00 € festzusetzen. Der Honoraranspruch der Dolmetscherin gegen ihren Auftraggeber bleibt hiervon unberührt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3728007

RVGreport 2011, 358

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