Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessenskriterien für Kostenentscheidung nach § 243 FamFG; isolierte Überprüfbarkeit der Kostenentscheidung durch Beschwerdeinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Ermessenskriterien der Kostenentscheidung in Unterhaltssachen nach § 243 S. 1 FamFG; im Rahmen der Ermessensprüfung des § 243 FamFG kommt mittelbar der Rechtsgedanke des § 91a ZPO zur Anwendung.

Zur Frage, ob das Beschwerdegericht die Ermessensentscheidung nach § 243 FamFG uneingeschränkt oder nur eingeschränkt dahin überprüfen kann, ob das Ausgangsgericht sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Ein über §§ 243 S. 2 Nr. 4 FamFG, 93 ZPO bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigendes sofortiges Anerkenntnis in einem Rechtstreit auf den vollen Unterhalt scheidet aus, wenn der Unterhaltsschuldner lediglich einen Teilbetrag auf den geschuldeten unterhalt erbringt

 

Normenkette

FamFG § 243; ZPO §§ 91a, 93

 

Verfahrensgang

AG Moers (Aktenzeichen 484 F 24/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Moers im Beschluss vom 23.12.2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 2.000,- EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I) Der Antragsteller hat mit Antragsschrift vom 20.02.2020 Trennungsunterhalts- und Kindesunterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner geltend gemacht. Mit Beschluss vom 23.12.2021 hat das Amtsgericht unter I) des Beschlusses festgestellt, dass die Beteiligten einen Vergleich geschlossen haben und, da die Beteiligten in ihrem Vergleich keine Kostenregelung getroffen haben, eine solche vielmehr der gerichtlichen Entscheidung überlassen wollten, unter II) des Beschlusses bestimmt, dass der Antragsgegner 90% und die Antragstellerin 10% des Verfahrens tragen, die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde, der die Antragstellerin entgegentritt und der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II) 1) Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts unter II) des Beschlusses vom 23.12.2021ist statthaft und im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig.

Die Statthaftigkeit des eingelegten Rechtsmittels folgt daraus, dass isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen, die nach streitloser Hauptsacheregelung erfolgen, mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567ff. ZPO anfechtbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. 9. 2011 - XII ZB 2/11, FamRZ 2011, 1933= FPR 2012, 284). Im Streitfall bedurfte es keiner Hauptsacheregelung durch das Amtsgericht mehr, da die Beteiligten eine vergleichsweise Regelung gefunden haben; das Zustandekommen des das Hauptsacheverfahren abschließenden Vergleichs hat das Amtsgericht nach § 113 Abs. 2 FamFG, § 278 Abs. 6 ZPO unter I) des Beschlusses vom 23.12.2021. festgestellt.

2) In der Sache ist die sofortige Beschwerde jedoch unbegründet. Die amtsgerichtliche Kostenentscheidung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und hält insbesondere den Angriffen des Antragsgegners in der sofortigen Beschwerde stand.

a) Gemäß § 243 S. 1 FamFG entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen abweichend von den entsprechenden Vorschriften der ZPO nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Dabei sind nach Satz 2 insbesondere zu berücksichtigen: das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung (Nr. 1), das Befolgen einer Aufforderung unter anderem zur Auskunftserteilung vor Beginn des Verfahrens (Nr. 2), der Umstand, dass ein Beteiligter seiner gerichtlichen Auskunftspflicht gem. § 235 I FamFG nicht hinreichend nachgekommen ist (Nr. 3) sowie ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO (Nr. 4). Die Vorschrift enthält damit Sonderregelungen über die Kostenverteilung. Jedoch sind im Rahmen der Ermessensprüfung des § 243 FamFG die Rechtsgedanken zu berücksichtigen, die den verdrängten ZPO-Vorschriften zugrunde liegen. Damit kommt § 91a ZPO mittelbar zum Tragen (vgl. BGH,a.a.O.). Dabei ist das FamG grundsätzlich in der Bewertung frei, welche Gewichtung es den einzelnen Kriterien verleihen will und wie es damit letztlich die Kostenquote ermittelt.

b) Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob derartige Ermessensentscheidungen durch das Beschwerdegericht nur eingeschränkt überprüfbar sind und das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung nur dahin überprüfen kann, ob das Amtsgericht sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 5.11. 2012 - II-2 WF 179/12 FamRZ 2013, 1060; OLG Schleswig Beschl. v. 31.10.2013 - 15 WF 358/13, BeckRS 2013, 21784, m.w.N Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl. 2015, FamFG § 243, Rz. 34); oder - so die Gegenmeinung - ob das Beschwerdegericht als "vollwertige" Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensentscheidung zur Grundlage der Beschwerde ...

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