Leitsatz (amtlich)

In Verfahren, die vor dem Inkrafttreten des FGG - Reformgesetzes am 1.9.2009 eingeleitet wurden, sind die bis zum 31.8.2009 geltenden Verfahrensvorschriften auch auf das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht anzuwenden.

 

Verfahrensgang

AG Wesel (Beschluss vom 15.10.2009; Aktenzeichen 33 F 98/09)

 

Tenor

Der Beschluss des AG Wesel vom 15.10.2009 wird auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 3.000 EUR.

 

Gründe

Die nach § 621e ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin hat den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg.

1. Auf das Beschwerdeverfahren sind gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) die bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden, weil das erstinstanzliche Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurde.

Das Beschwerdeverfahren, das nach dem 1.9.2009 eingeleitet wurde, ist kein selbständiges Verfahren i.S.d. Abs. 2 der Übergangsvorschrift. Zwar kann der missverständlich formulierte Wortlaut des Abs. 2 so verstanden werden, dass das mit einer Endentscheidung abgeschlossene erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren als zwei selbständige Verfahren i.S.d. Übergangsvorschrift anzusehen sind, was in der Literatur auch vertreten wird (Prütting/Helms-Prütting, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rn, 5, Geimer, FamRB 2009, 386).

Diese Auffassung missachtet jedoch nicht nur den erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern ist auch aus gesetzessystematischen Erwägungen nicht haltbar.

Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308, 359) ist der klare Wille des Gesetzgebers ersichtlich, die Anwendung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG einheitlich auf die Durchführung eines Verfahrens in allen Instanzen zu erstrecken, so dass bei allen erstinstanzlich nach bisherigem Recht eingeleiteten Verfahren auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach dem bisher geltenden Recht erfolgen soll. Dieser gesetzgeberische Wille bestand fort, als die Abs. 2 - 5 auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT - Drucksache 16/11903) durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3.4.2009 (BGBl. I, 700) nachträglich in die Übergangsvorschrift eingefügt wurden. Durch Abs. 2 sollte nach der Begründung des Rechtsausschusses lediglich klargestellt werden, dass in Bestandsverfahren wie Betreuung, Vormundschaft oder Beistandschaft jeder selbständige Verfahrensgegenstand, der mit einer durch Beschluss (§ 38 FamFG) zu erlassenden Endentscheidung zu erledigen ist, ein neues, selbständiges Verfahren begründet (BT - Drucksache 16/11903, S. 61).

Eine weitergehende Abweichung von der ursprünglichen Konzeption der Übergangsvorschrift war jedoch nicht beabsichtigt.

Das Fortbestehen des ursprünglichen gesetzgeberischen Willens wird auch bestätigt durch Art. 9 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30.7.2009 (BGBl. I, 2449), durch den der Ausschluss der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 9 Satz 1 EGZPO) um zehn Jahre verlängert wurde. Diese Vorschrift setzt nämlich die Fortgeltung des bisherigen Verfahrensrechts, u.a. § 621e Abs. 2 ZPO a.F., in der zweiten Instanz voraus und ordnet sie für die dritte Instanz an.

Eine andere, vom Willen des Gesetzgebers abweichende Auslegung verbietet sich auch deshalb, weil hierdurch der durch die Abs. 3 bis 5 des Art. 111 FGG-RG hergestellte - zwingend erforderliche - Gleichlauf zwischen dem materiellen Recht und dem Verfahrensrecht in Versorgungsausgleichssachen gestört würde. Wenn Beschwerdeverfahren immer als selbständiges Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG behandelt würden, hätte dies nämlich zur Folge, dass auch die Beschwerden in Versorgungsausgleichssachen in der Beschwerdeinstanz immer nach den neuen, speziell auf das neue materielle Recht des VersAusglG zugeschnittenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen (§ 217 bis § 229 FamFG) betrieben werden müssten, obwohl nach Maßgabe des § 48 VersAusglG noch das alte materielle Recht Anwendung findet.

Der Senat wendet deshalb in Anschluss an die in Literatur und Rechtsprechung überwiegend vertretene Auffassung (u.a. Schürmann, FuR 2009, 548, 550; Geißler in Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 7. Aufl., Kap 1, Rz. 581; Bork/Ja-coby/Schwab, FamFG, Rz. 18 zu Vor § 58 (Müther) und Rz. 19 zu vor 151(Zorn); Hoppenz in Hoppenz, Familiensachen, 9. Aufl., Rz. 1 zu Art. 111 FGG-RG; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.10.2009 - 18 UF 233/09; OLG Köln, Beschl. v. 21.9.2009 - 16 WX 121/09; OLG Schleswig, Beschl. v. 21.10.2009 - 2 W 152/09) bei allen Verfahren, die erstinstanzlich nach dem bisherigen Verfahrensrecht eingeleitet wurden, auch in der Besc...

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