Leitsatz (amtlich)

1. Das Rechtsbeschwerdegericht kann bei der Prüfung, ob die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist, auf den Akteninhalt zurückgreifen.

2. Wenn das Verbotszeichen 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit) zusammen mit dem Gefahrzeichen 103 (hier: Rechtskurve) angebracht ist, darf für das Ende der streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung nicht auf andere Gefahren, die nicht angezeigt wurden, abgestellt werden.

 

Normenkette

OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1; StVO § 41 Abs. 1 Anlage 2 Nr. 55

 

Tenor

  1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 3. März 2016 und 24. März 2016 werden aufgehoben.
  2. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h zu einer Geldbuße von 130 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich dessen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Das Amtsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 3. März 2016 und nochmals mit Beschluss vom 24. März 2016 als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Betroffene jeweils einen Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts angebracht.

II.

Die Verwerfungsbeschlüsse des Amtsgericht vom 3. März 2016 und 24. März 2016 unterliegen der Aufhebung (§ 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG, § 346 Abs. 2 StPO).

Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 3. Februar 2016 zugestellt worden. Die Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist am 16. Februar 2016 und damit rechtzeitig bei dem Amtsgericht eingegangen (§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, § 345 Abs. 1 StPO). Weshalb die Begründungsschrift erst nach den Verwerfungsbeschlüssen vom 3. März 2016 und 24. März 2016 zu den Akten gelangt ist, kann anhand dieser nicht nachvollzogen werden.

Im Übrigen ist unverständlich, dass das Amtsgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Beschluss vom 24. März 2016 ein zweites Mal als unzulässig verworfen hat. Eine doppelte Verwerfung sieht § 346 Abs. 1 StPO nicht vor. Die Akten wären dem Senat bereits aufgrund der Anfechtung des Beschlusses vom 3. März 2016 vorzulegen gewesen.

Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ergeht ohne Kostenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 346 Rdn. 12).

Der vorsorglich gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist gegenstandslos, da der Betroffene die einmonatige Begründungsfrist nicht versäumt hat.

III.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Bei Verhängung einer Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro ohne Nebenfolge ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1.

Eine Verfahrensrüge wegen Versagung des rechtlichen Gehörs hat der Betroffene nicht erhoben.

2.

Die Sachrüge bietet keinen Anlass, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Denn bei zutreffender Erfassung des Sachverhaltes kommt es vorliegend nicht auf die Rechtswirkungen einer Beschilderung an, bei der das Verbotszeichen 274 (zulässige Höchstgeschwindigkeit) in Kombination mit dem Gefahrzeichen 103 (Kurve) angebracht ist.

a)

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 29. August 2015 um 12.30 Uhr mit seinem Pkw die BAB 40 (bei km 53,252) in Fahrtrichtung Dortmund. Die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 80 km/h. Mit dem Messverfahren "PoliScan Speed" wurde abzüglich Toleranz eine Geschwindigkeit von 112 km/h festgestellt.

Zur Beschilderung wird in dem Urteil ein Schaltprotokoll angeführt, wonach zur Tatzeit mit dem Verbotszeichen 274 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h angeordnet gewesen sei, verbunden mit dem Gefahrzeichen 103, das auf eine Rechtskurve hingewiesen habe. Das angeführte Schaltprotokoll lässt darauf schließen, dass die durch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA) angezeigten Verkehrszeichen gemeint sind. Da durch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage verkehrsabhängig und flexibel auf das Verkehrsgeschehen eingewirkt werden soll, erscheint indes eher ungewöhnlich, wenn dort mit dem Gefahrzeichen 103 auf eine - ständig vorhandene - Rechtskurve hingewiesen wird.

Der Betroffene trägt in der Antragsbegründung vor, dass ca. 100 m vor der Rechtskurve an einem Befestigungspfahl das Verbotszeichen 274 mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h angebracht gewesen sei, zusätzlich an demselben Befestigungspfahl das Gefahrzeichen 103 mit dem Hinweis auf die folgende Rechtskurve. Er macht geltend, dass diese Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem Ende der Rechtskurve ohne besondere Kennzeichnung aufgehoben gewesen sei und an der Messstell...

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