Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung des Vormunds; Erfordernis wirksamer Bestellung; Neufestsetzung zum Zwecke der Rückforderung; Vertrauensgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vormund kann Zahlungen gemäß § 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 VBVG, § 1835 Abs. 1 BGB nur für die nach seiner wirksamen Bestellung entfalteten Tätigkeiten beanspruchen. Die wirksame Bestellung setzt im Fall einer als Vormund ausgewählten Einzelperson gemäß § 1789 BGB eine persönliche Verpflichtung durch das Gericht in Anwesenheit des Vormunds voraus.

2. Einer (erneuten) Festsetzung der Vergütung des Vormunds nach § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG, die eine Rückforderung überzahlter Beträge zur Folge hätte, kann im Einzelfall der Vertrauensgrundsatz entgegenstehen, wenn das Vertrauen des Vergütungsempfängers auf die Beständigkeit einer ihm in der Vergangenheit rechtswidrig gewährten Vergütung schutzwürdig ist.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1789, 1835 Abs. 1, § 1836 Abs. 1; FamFG § 168 Abs. 1 S. 1; VBVG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Beschluss vom 22.12.2020; Aktenzeichen 4 F 187/20)

 

Tenor

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Kleve gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 22.12.2020 wird auf ihre, der Bezirksrevisorin, Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis 2.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Auswahl des Vormunds erfolgte mit Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 12.09.2019. Dieser ist dem Vormund taggleich zugegangen. Mit an das Amtsgericht Oberhausen gerichtetem Schreiben vom 30.09.2019 bat der Vormund um Mitteilung, ab welchem Zeitpunkt er Tätigkeiten abrechnen könne, und bekundete unter Verweis auf die mit der Post zugegangene Bestallung, er wolle im Vorfeld Korrekturen vermeiden. Darauf teilte ihm die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Oberhausen mit, die Vergütung könne ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Beschlusses vom 12.09.2019 abgerechnet werden. Der Vormund reichte Vergütungs- und Aufwendungsersatzabrechnungen für die Zeit ab dem 12.09.2019 ein. Hierauf wurden an den Vormund Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.772,95 EUR geleistet. Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Kleve wurde der Vormund dort am 26.10.2020 bei persönlicher Anwesenheit förmlich bestellt.

Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Kleve (im Folgenden: Landeskasse) hat beantragt, die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Vormunds für die Zeit vom 12.09.2019 bis zum 25.10.2020 auf 0 EUR festzusetzen, und angekündigt, die ausgezahlten Beträge von dem Vormund zurückzufordern. Sie hat vorgetragen, dass ein Vergütungsanspruch mangels wirksamer Bestellung des Vormunds nicht entstanden sei. Dem Vormund sei auch kein Vertrauensschutz zuzubilligen, weil er als berufsmäßig tätiger Vormund und Berufsbetreuer in Kenntnis der Sachlage auf einer Verpflichtung habe bestehen müssen.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Vormund stünden die Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu. Den Ausschlag gebe, dass der Vormund ausdrücklich wegen des Abrechnungszeitpunktes nachgefragt habe und ihm seitens des Amtsgerichts Oberhausen mitgeteilt worden sei, dass die Abrechnung ab Zugang des Beschluses über die Auswahl als Vormund beginnen könne.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Rechtsmittel verfolgt die Landeskasse ihr Begehren weiter. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, über die Gewährung von Vertrauensschutz könne nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren entschieden werden.

II. Das als Beschwerde gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Es ist nicht gerechtfertigt, die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Vormunds für die Zeit vom 12.09.2019 bis zum 25.10.2020 gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 FamFG auf 0 EUR festzusetzen.

1. Einer Rückforderung der an den Vormund für diese Zeit geleisteten Zahlungen, auf die das Festsetzungsbegehren der Landeskasse wesentlich zielt, steht der Vertrauensgrundsatz entgegen.

a) Zwar konnte der Vormund gemäß § 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 VBVG, § 1835 Abs. 1 BGB für die in der Zeit vom 12.09.2019 bis zum 25.10.2020 entfalteten Tätigkeiten keine Zahlungen beanspruchen. Denn die Rechte aus der Vormundschaft entstehen erst mit der wirksamen Bestellung des Vormunds. Diese setzt im Fall einer als Vormund ausgewählten Einzelperson gemäß § 1789 BGB eine persönliche Verpflichtung durch das Gericht in Anwesenheit des Vormunds voraus (vgl. BGH, FamRZ 2020, 601, Rn. 7; BGH, FamRZ 2018, 513, Rn. 12; MünchKomm/Spickhoff, BGB, 8. Auflage, § 1789 Rn. 7, 13). Eine solche war bis zum 25.10.2020 nicht erfolgt.

b) Jedoch hindert der Vertrauensgrundsatz eine Rückforderung der an den Vormund geleisteten Zahlungen.

aa) Zwar ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 168 Abs. 1 FamFG für materiell-rechtlich auf § 242 BGB gestützte Erwägungen zur Begründung eines Zahlungsanspruchs des nicht wirksam bestellten Vormunds kein Raum (BGH, FamRZ 2018, 513, Rn. 15; BGH, FamR...

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