Leitsatz (amtlich)

Bei der Überprüfung eines zwischen vorauszahlenden Fahrzeugen eingehaltenen geringen Abstands kann eine zuverlässige Einschätzung aus dem folgenden Messfahrzeug nur erfolgen, wenn dieses schräg versetzt zu den anderen (auf demselben Fahrstreifen befindlichen) Fahrzeugen geführt wird.

 

Verfahrensgang

AG Mönchengladbach (Aktenzeichen 13. 11. 2001)

 

Tenor

  • 1.

    Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde bewilligt.

  • 2.

    Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Mönchengladbach zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Dem Betroffen war auf seine Kosten (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren, weil er ohne eigenes Verschulden an der Fristeinhaltung gehindert war.

II.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 StVO eine Geldbuße von 200, -- DM verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Nach den getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene auf der BAB 52 bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h mit einem Abstand von weniger als 2/10 des erforderlichen Sicherheitsabstandes hinter einem vorausfahrenden Fahrzeug her. Die Unterschreitung wurde durch Nachfahren über eine Strecke von 600 m gemessen, wobei sich das Messfahrzeug mit einem gleichbleibenden Abstand von ca. 40 m teilweise versetzt auf dem rechten Fahrstreifen befand.

III.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den Schuldspruch zu rechtfertigen.

Das Amtsgericht hat zwar zutreffend die obergerichtliche Rechtsprechung zugrunde gelegt, nach der der Abstand hintereinander fahrender Kraftfahrzeuge aufgrund der Lebenserfahrung durch eine Schätzung darin geübter Personen hinreichend verlässlich festgestellt werden kann, wenn die beteiligten Fahrzeuge aus nicht zu großer Entfernung über eine genügend lange Fahrstrecke ungehindert beobachtet werden können und es sich nicht um einen Grenzfall, sondern eine beträchtliche Unterschreitung des notwendigen Sicherheitsabstands handelt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. 10. 1999 = DAR 2000, 80 und 28. 12. 1992 = NZV 1993, 242; OLG Düsseldorf VRS 56, 57, 58; OLG Hamm VRS 58, 276, 278).

Auf dieser Grundlage sind eine Länge der überprüften Fahrstrecke von 600 m und ein Abstand des Überwachungsfahrzeugs von ca. 40 m ausreichend (vgl. auch OLG Düsseldorf VRS 64, 376, 379; VRS 56, 57, 58).

Zwar ist eine Unterschreitung des Sicherheitsabstands im Normalfall nur dann ordnungswidrig, wenn sie nicht nur ganz vorübergehend geschieht, so dass insofern im Regelfall auch Feststellungen dazu getroffen werden müssen, dass der Abstand während des Messvorgangs keine wesentlichen Veränderungen durch Abbremsen des vorausfahrenden oder Einscheren eines anderen Fahrzeugs erfahren hat (vgl. OLG Düsseldorf VRS 64, 376, 379;  56, 57, 58; OLG Köln VRS 66, 463, 465). Bei einer beträchtlichen Unterschreitung des Sicherheitsabstands iSd § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO können allerdings im Einzelfall nähere Feststellungen dazu entbehrlich sein, dass sich der Abstand zwischen dem Fahrzeug des Betroffenen und dem vorausfahrenden Fahrzeug nicht wesentlich verändert hat (vgl. auch OLG Oldenburg VRS 67, 54).

Das Amtsgericht hat auch ausreichende Feststellungen zu den Anknüpfungspunkten für die Abstandsmessung getroffen, indem es ausgeführt hat, wie der Abstand von den Polizeibeamten hier bzw. im allgemeinen geschätzt wurde bzw. wird (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 11. 10. 1999 = DAR 2000, 80).

Auch hat sich das Amtsgericht von den Fähigkeiten der Polizeibeamten hinsichtlich Abstandsschätzungen im fließenden Verkehr in hinreichendem Maße überzeugt.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen bleibt indessen offen, über welche Strecke sich das Messfahrzeug schrägt versetzt auf dem rechten Fahrbahnstreifen hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befunden hat. Das Amtsgericht hat ausgeführt, das dies teilweise der Fall gewesen ist. Nur bei einer Überprüfung des Abstands aus einer solchen Beobachtungsposition kann eine zuverlässige Einschätzung des eingehaltenen Abstands überhaupt vorgenommen werden, weil das Schätzen ganz geringer räumlicher Abstände aus einer Position des Hinterherfahrens auf demselben Fahrstreifen zumindest wesentlich erschwert, wenn nicht gar unmöglich ist. Jedenfalls dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - darauf ankommt, Abstände im 1 m Bereich zu schätzen, erfordert die Feststellung eine äußerst zuverlässige Beobachtungsposition. Insofern wird das Amtsgericht ergänzende Feststellungen dazu treffen müssen, über welchen Teil der Messstrecke von insgesamt 600 m sich das Messfahrzeug mit einem Abstand von ca. 40 m schräg versetzt hinter dem Fahrzeug des Betroffenen befunden hat.

IV.

Im übrigen ...

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