Leitsatz (amtlich)

1. Ist neben der Räumung einer Wohnung auch die Rückgabe eines unentgeltlich überlassenen Grundstücks (Teil eines Gartens) Streitgegenstand, so ist jene mit Hilfe einer Schätzung gesondert zu bewerten.

2. Werden in einem "Mehrvergleich" Streitgegenstände miterledigt, die im Rechtsstreit nicht anhängig gewesen sind, sind diese nach allgemeinen Grundsätzen einzeln zu bewerten und erhöhen den Gegenstandswert des Vergleichs.

3. Vereinbaren die Parteien in dem "Räumungsvergleich" für den Mieter eine "Umzugskostenbeihilfe", so wirkt diese sich nicht werterhöhend aus, wenn die Parteien darüber nicht gestritten haben.

4. Zur Bewertung einer Vergleichsabrede, in der der Wohnungsmieter auf Räumungsschutz verzichtet.

5. Bei Streitigkeiten der Mietvertragsparteien über eine mangelbedingte Mietminderung ist nicht der Mangelbeseitigungsaufwand, sondern die auf ein Jahr begrenzte, den Mängeln entsprechende Mietminderung zum Bewertungsmaßstab zu nehmen.

6. Da der Anspruch auf Rückbau der Mietsache nicht von dem Räumungsanspruch umfasst ist, ist er auch gesondert zu bewerten.

 

Normenkette

GKG §§ 41, 3

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Beschluss vom 28.07.2008; Aktenzeichen 9 S 92/08)

AG Mettmann (Aktenzeichen 25 C 491/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbeteiligten zu 1) wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 28.7.2008 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 16.2.2009 teilweise abgeändert: Der Streitwert für den Rechtsstreit wird anderweitig auf 4.617,72 EUR und der Wert für den Vergleich vom 19.6.2008 wird anderweitig auf 12.013,96 EUR festgesetzt; davon entfallen auf den Mehrvergleich 7.396,24 EUR.

 

Gründe

A. Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG als Berufungsgericht den Streitwert für den durch Räumungsvergleich (künftig: Vergleich) erledigten zweitinstanzlichen Räumungsrechtsstreit auf 4.257,71 EUR (12 Mon × 354,81 EUR/Mon) sowie den Gegenstandswert für den Vergleich auf 4.757,72 EUR [(12 Mon × 354,81 EUR/Mon)+500 EUR] festgesetzt. In dem Vergleich haben die Parteien diverse, im Rechtsstreit nicht anhängig gewesene Ansprüche mitgeregelt, darunter den Streit um die von den Beklagten seit Juli 2007 vorgenommenen monatlichen Mietminderungen und -einbehaltungen zuletzt in Höhe der gesamten Miete von monatlich 354,81 EUR. Die Mietminderungen und -einbehaltungen, die das LG mit 500 EUR bewertet hat, haben die Beklagten mit verschiedenen Mängeln der Mietwohnung begründet, die Gegenstand des von ihnen geführten und amtsgerichtlich mit 60.000 EUR bewerteten Beweissicherungsverfahrens gewesen sind (22 H 12/07 AG Mettmann).

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger (künftig: Beschwerdeführer) führt das Rechtsmittel, dem das LG nicht abgeholfen hat, aus eigenem Recht. Er wird dabei von den früheren Prozessbevollmächtigten der Beklagten (Verfahrensbeteiligte zu 2) unterstützt. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, der Gegenstandswert des Vergleichs müsse auf (mindestens) 60.000 EUR festgesetzt werden, weil schon allein der im Vergleich mitgeregelte Streit der Parteien um die Mietminderungen und -einbehaltungen diesen Wert hätte.

Die Beklagten halten den angefochtenen Beschluss für richtig und bitten um Zurückweisung der Beschwerde.

B.I. Das Rechtsmittel ist gem. § 32 Abs. 2 RVG, §§ 63 Abs. 3 Satz 2, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthaft. Der Senat hat bereits entschieden (vgl. OLGReport Düsseldorf 2007, 127 m.w.N.), dass auch gegen Wertfestsetzungen des LG als Berufungsgericht der Weg der Streitwertbeschwerde eröffnet ist. Anders als die bis zum 30.6.2004 vor Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2004 (BGBl. I, 718 ff.) anzuwendende Vorschrift des § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. enthält § 68 Abs. 1 GKG keinen Ausschluss der Beschwerde gegen die Wertfestsetzung des Rechtsmittelgerichts. Der Verzicht des Gesetzgebers auf die Übernahme der früheren Regelung in das neue Kostenrecht steht auch einer analogen Heranziehung der entsprechenden Rechtsmittelbeschränkung aus § 567 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. Senat, a.a.O.).

II. Das auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel, über das der Senat gem. § 122 Abs. 1 GVG in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hat, ist teilweise erfolgreich. Der vom LG auf nur 4.757,72 EUR festgesetzte Vergleichswert ist anderweitig auf 12.013,96 EUR heraufzusetzen. Das weitergehende Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist dagegen unbegründet und unterliegt der Zurückweisung. Zugleich ist der Wert für den Rechtsstreit von Amts wegen anderweitig auf 4.617,72 EUR festzusetzen.

1. Der Senat setzt den Streitwert für den Rechtsstreit von Amts wegen anderweitig auf 4.617,72 EUR fest.

a) Zu dieser Maßnahme ist der Senat anlässlich der Befassung mit der Sache auch ohne Antrag einer Partei gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG befugt, und zwar binnen einer Frist von sechs Monaten seit Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache. Die in Rede stehende Frist ist hier noch nicht abgelaufen, und zwar aus den gleichen Gründen, aus denen der...

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