Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Bei der Bezugnahme auf ein Radarfoto oder andere Abbildungen in den Akten drängt sich als kürzeste und deutlichste Form der Verweisung auf, die Vorschrift des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO anzuführen und ihren Wortlaut zu verwenden.

  • 2.

    Macht der Tatrichter von der Möglichkeit, auf das Radarfoto zu verweisen, nicht deutlich und zweifelsfrei Gebrauch, so muss er in den Urteilsgründen aussagekräftige charakteristische (individuelle) Merkmale feststellen, anhand derer Gesichter typischerweise und nach der jedermann zugänglichen Erfahrung mit großer Sicherheit intuitiv (wieder)erkannt werden.

  • 3.

    Zur Unterbrechung der Verjährung, wenn die Verwaltungsbehörde den Vorgang mittels EDV bearbeitet (im Anschluss an BGH NJW 2006, 2338).

  • 4.

    Zum Einfluss des Zeitablaufs auf die Entscheidung, ob ein Fahrverbot anzuordnen ist.

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.01.2006)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen zu 100 EUR Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet, weil er am 14. Januar 2005 in Düsseldorf auf der Autobahn 44 mit einem Pkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fahrlässig um 41 km/h überschritten habe. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der Sachrüge vorläufig Erfolg, weil die Beweiswürdigung unklar ist und nicht erkennen lässt, ob das Amtsgericht sich rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt hat.

1.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen ist allein Sache des Tatrichters. Nur er kann feststellen, ob der in der Hauptverhandlung erschienene Betroffene mit der auf einem Radarfoto abgebildeten Person identisch ist. Die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich versagt (BGHSt 41, 376 = NJW 1996, 1420).

2.

Die Urteilsgründe müssen aber so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muss, wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann in dem Fall die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist. Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto - wie etwa ein (Front-) Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt - zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Weder müssen die charakteristischen Merkmale aufgelistet werden, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären auch überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich.

3.

Macht der Tatrichter von der Möglichkeit, auf das Beweisfoto zu verweisen, keinen Gebrauch, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muss die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.

4.

Die Gründe des angefochtenen Urteils enthalten weder eine wirksame Bezugnahme auf das Radarfoto im Sinn...

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