Leitsatz (amtlich)

1. Ob die Veräußerung einer zum Nachlass gehörenden Immobilie durch den befreiten Nacherben entgeltlich war, d.h. ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstand, hat das Grundbuchamt ohne Bindung an die Beweisvorschrift des § 29 Abs. 1 GBO an Hand aller Umstände frei zu würdigen.

2. Entgeltlichkeit ist zu bejahen, wenn die für die Bestimmung des Entgelts maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden und verständlich sowie der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen, und wenn begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind.

3. Die Prüfung der Entgeltlichkeit der Veräußerung beschränkt sich nach allgemeinen Grundsätzen auf die dem Nachlassgericht vorgelegten Eintragungsunterlagen und sonstige offenkundige Tatsachen. Dem Grundbuchamt ist es verwehrt, eigene Ermittlungen und Beweiserhebungen vorzunehmen.

4. Eine entgeltliche Veräußerung liegt nicht erst dann vor, wenn der Vorerbe denjenigen Kaufpreis vereinbart hat, der sich unter Anwendung der im Einzelfall sachgerechten Wertermittlungsmethode maximal vertreten lässt. Zweifel an der Pflichtgemäßheit der Übertragung ergeben sich nämlich im Allgemeinen nicht alleine aus dem Umstand, dass verschiedene Wertgutachten zu unterschiedlichen Schätzpreisen gelangen.

 

Normenkette

BGB § 2113 Abs. 1-2, § 2136; GBO §§ 19, 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Langenfeld vom 26. Mai 2021 (MO-8392-9) aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag des Notars ... vom 9. Juni 2020 auf Löschung des Nacherbenvermerks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

II. Die dem Beteiligten zu 1. in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen fallen dem Beteiligten zu 2. zur Last. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1. erstrebt die Löschung des Nacherbenvermerks, der in Abteilung II Nr. 5 des Grundbuchs von ..., zugunsten der Beteiligten zu 2. und zu 3. eingetragen ist. Dem Löschungsantrag liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Beteiligten zu 2. und zu 3. sind Nacherben nach dem Tod ihres Vaters ... Dessen zwischenzeitlich ebenfalls verstorbene Ehefrau ... (nachfolgend: Erblasserin) war befreite Vorerbin ihres Ehemannes. Die Eheleute waren hälftige Miteigentümer einer neu errichteten, 90 qm großen Eigentumswohnung im Hause ..., die sie im Jahr 2004 zum Preis von 209.900 Euro erworben hatten.

Mit notariellem Kaufvertrag des Notars ... vom 28. Januar 2015 (UR-Nr. ...) hat der Beteiligte zu 1. von der Erblasserin die vorgenannte Eigentumswohnung zu Eigentum erworben, und zwar deren eigenen Miteigentumsanteil schenkweise und den unter die befreite Vorerbschaft fallenden Miteigentumsanteil gegen Zahlung eines Barkaufpreises von 100.000 Euro. Jener Kaufpreis war in Höhe eines Betrages von 50.000 Euro zur Ablösung eines auf dem Wohnungseigentum noch eingetragenen Grundpfandrechts zu entrichten und im Übrigen in monatlichen Raten von 900 Euro zu zahlen. Der Notarvertrag sieht darüber hinaus ein lebenslanges Wohnungsrecht der Erblasserin an den Räumen der Eigentumswohnung vor.

Der Beteiligte zu 1. hat unter Vorlage eines D...-Wertgutachtens, das den Verkehrswert des Wohnungseigentums zum 28. Januar 2015 unbelastet auf 191.000 Euro und unter Berücksichtigung des eingeräumten Wohnungsrechts auf 105.000 Euro veranschlagt, die Löschung des Nacherbenvermerks beantragt. Die Beteiligten zu 2. und 3. sind dem entgegen getreten. Sie verweisen auf ein von ihnen eingeholtes Wertgutachten des Sachverständigen V..., das den unbelasteten Verkehrswert der Eigentumswohnung und eines Tiefgaragen-Stellplatzes auf 258.000 Euro beziffert. Sie sind der Auffassung, das Wohnungseigentum sei unter Wert veräußert worden und deshalb nicht aus der Nacherbschaft frei geworden.

Das Amtsgericht hat den Löschungsantrag zurückgewiesen. Es hat seiner Beurteilung das Wertgutachten V... zugrunde gelegt und den - unstreitig nicht der Nacherbschaft unterfallenden - Garagenplatz mit 5.000 Euro in Abzug gebracht. Dementsprechend hat es den Verkehrswert des verkauften Miteigentumsanteil auf 126.500 Euro (258.000 Euro abzüglich 5.000 Euro : 2 = 126.500 Euro) veranschlagt. Gegengerechnet hat das Amtsgericht den hälftigen Betrag zur Ablösung des Grundpfandrechts (= 25.000 Euro), die zweite Kaufpreisrate (= 50.000 Euro) in voller Höhe sowie den hälftigen Wert des Wohnungsrechts mit 40.000 Euro, mithin einen Betrag von insgesamt 115.000 Euro. Aufgrund der rechnerisch verbleibenden Differenz zwischen dem Verkehrswert (126.500 Euro) und den Leistungen des Beteiligten zu 1. (115.000 Euro) in Höhe von 11.500 Euro hat es angenommen, dass der hälftige Miteigentumsanteil nicht zu einem marktüblichen Preis an den Beteiligten zu 1. verkauft worden sei.

Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde, der das Amtsgericht n...

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